Essen. . Für Christa Heidecke beginnt ein Neuanfang in der Demenz-WG. Doch auch hier trifft sie auf Personal, das alte Menschen respektlos behandelt.

Redakteur Gerd Heidecke schildert das Leben seiner bald 90-jährigen Mutter nach ihrem Schlaganfall – der letzte Teil eines ganz persönlichen Blogs.

In unserer neuen Demenz-WG leben elf Menschen auf einer Etage, nicht mehrere Dutzend. Es gibt zwar keinen Garten und keinen Balkon und eigentlich wurden hier die Räume von zwei großen Arztpraxen zusammengelegt. Es ist nicht schön hier. Der Blick fällt auf die Hauptstraße oder in den Hinterhof.

Auch hier verschwinden ihre neuen Hörgeräte, und keiner will es gewesen sein, und die Haftpflichtversicherung der privat geführten und damit auch Gewinn orientierten Einrichtung hat nach über einem halben Jahr den Schaden noch nicht ersetzt. Auch hier sprechen zu viele Pfleger zu wenig Deutsch, um den dementen Menschen sprachlich nah kommen zu können. Auch hier trifft man auf Personal, das mangels Empathie in der Pflege nichts zu suchen hat und alte Menschen respektlos behandelt. Auch hier ist der Personalschlüssel und alles andere einfach abhängig von dem Geld, das das Pflegeunternehmen Deutschland zur Verfügung stellt.

Wartelisten für Pflegeheime sind endlos lang

Doch unsere neue, privat geführte Demenz-WG ist kein Betrieb wie das Heim zuvor und die meisten anderen, die ich kenne. Dort, wo Menschen wie Fälle behandelt werden und der Respekt schon bei der Anrede aufhört und die Senioren, die ja übrigens auch Kunden und die Arbeitgebenden der Pfleger sind, einfach gedutzt werden. Wo alle die, um die sich von den Angehörigen keiner mehr kümmern kann, dem Betrieb ausgeliefert sind und dabei entmündigt werden. Und nur noch verwahrt werden, wie die wirklich arme blinde Frau im ersten Heim meiner Mutter, im Zimmer gegenüber, das sie anscheinend nie verlässt. Viele andere bewegungsunfähige Menschen dort kommen nie ins Freie, weil es zu viel Arbeit macht. Und werden nicht einmal auf den Balkon geschoben, dessen einziger Zweck der einer bequemen Raucherecke für das Personal zu sein scheint.

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Es geht natürlich auch anders. In Ratingen gibt es ein vorbildliches Pflegeheim in einem alten Krankenhaus aus der Gründerzeit, das ich mir angesehen hatte. Der Name des Gründers steht für einen hohen moralischen Anspruch an den Umgang mit den Schwächsten der Gesellschaft, Menschen mit eingeschränkten körperlichen und vor allem geistigen Fähigkeiten. Das Pflegeheim hat mehr Personal. Deshalb kostet es zu den üblichen Pflege- und Unterbringungskosten 2000 Euro extra im Monat. Meine Mutter erhält dank ihrer sehr guten Witwenrente weit über 2000 Euro im Monat. Trotzdem ist das einfach nicht zu finanzieren, und selbst wenn: Die Warteliste dort ist endlos lang.

Corona: Schreckliche Auswirkungen für Heimbewohner

Die für alte Menschen im Heim schlicht schrecklichen Auswirkungen der Kasernierung durch Corona waren möglicherweise nicht zu verhindern. Dass jetzt jedoch öffentlich überhaupt nicht darüber diskutiert wird, was da eigentlich monatelang mit Hunderttausenden Menschen passiert ist und immer noch passiert, und wie man es vielleicht beim nächsten Mal besser machen könnte, ist schon sehr bezeichnend.

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Und es geht hier viel, aber nicht nur um Geld. Wer glaubt, zehn Prozent höhere Mittel in das System zu pumpen und dafür eine zehn Prozent bessere Pflege herauszubekommen, irrt bestimmt. Zehn Prozent mehr Menschlichkeit, das würde etwas ändern.

Mehr zum Blog "Plötzlich Schlaganfall"

Dies ist der letzte Teil unseres Blogs. Die bisher erschienenen Folgen können Sie hier nachlesen: