Essen. . Wohngemeinschaften etablieren sich als Alternative zum Altenheim. Im Bertha-Krupp-Haus gibt es zwei WGs. Die Warteliste ist voll.
Die erwachsenen Kinder sind längst aus dem Haus, der Partner schon verstorben – und was kommt dann? Ein beklemmender Lebensabend in Einsamkeit? Die katholische Nikolaus Groß GmbH bietet in ihrem neuen Haus auf der Frintroper Straße eine Wohnform an, die sich zunehmend als Alternative zum Heim etabliert: gemeinsam Altwerden in der Wohngemeinschaft. Zwei WGs gibt es hier mit jeweils acht Plätzen. Die Besonderheit dieser Einrichtung: Fast alle Bewohner leiden an demenziellen Veränderungen.
Im großen Gemeinschaftsraum von WG I haben sie auch an diesem Vormittag wieder drei große Tische zusammengeschoben. Drei der sieben Bewohner spielen „Mensch’ ärgere dich nicht“, zwei andere unterhalten sich in der gemütlichen Sitzecke. Später wird zusammen gebastelt. Man spürt: Nähe tut gut.
„Morgens zum Frühstück decken die Bewohner gemeinsam den Tisch, sie kochen Kaffee und räumen danach auch ab“, berichtet Betreuerin Nicole Röder. Ihren WG-Job können auch Ungelernte ausüben. „Am wichtigsten ist, dass die Präsenzkräfte Empathie mitbringen und Verständnis“, sagt Claudia Vrecar, Geschäftsführerin des Betreibers Mesanus, „Altwerden in einer WG hilft insbesondere demenziell erkrankten Menschen.“ Die Zauberformel laute „Geborgenheit in Gemeinschaft“.
Zusammenleben in der Demenz-WG – das bringt Orientierung wieder zurück und das wohlige Gefühl, doch noch wichtig zu sein, eine Aufgabe zu haben. Die Pflegekräfte kennen die meist identischen Vorgeschichten ihrer Bewohner: Zuhause werden sie von morgens bis abends betüddelt, Angehörige schmieren ihnen gern die Butterbrote und nehmen ihnen alle erdenklichen Aufgaben ab. „Wir beschreiten einen anderen Weg“, betont Claudia Vrecar, „wir versuchen, nur kein Fünf-Sterne-Hotel zu sein.“ Mit anderen Worten: Sie fördern und fordern.
Erfolgserlebnisse gibt es viele – ein Beispiel: In WG II seien die acht Bewohner, die im Februar eingezogen sind, durch die Bank inkontinent gewesen. Inzwischen geht die Hälfte selbstständig zur Toilette. Wolfgang Rosengarten (57) aus Bochum besucht seine Mutter Elisabeth bis zu drei mal in der Woche – und staunt über ihre positive Wandlung: „Meine Mutter hilft jetzt beim Kochen und geht zum Singen – das kannte ich von ihr gar nicht.“
Die Präsenzkräfte und die Bewohner sind allesamt per Du – wie in einer Familie. Auf der Fensterscheibe kleben die Namen: Heinz, Christel, Uschi, Manfred, Margret und Elisabeth.
Wer seine Ruhe haben will, kann sich jederzeit in sein Appartement zurückziehen. Die meisten haben sich so eingerichtet wie Margret Blachut, die umgeben ist von Möbeln und Erinnerungsstücken aus ihrer alten Wohnung. Als die Mittagszeit naht, wird aufgetischt. Natürlich gemeinsam. Auf dem Menüplan steht Hack-Reis-Topf, gemischter Salat mit Dressing und Eis als Dessert. Später gibt’s Kaffee – und den duftenden Zitronenkuchen, den Christel gebacken hat.
Für alle Bewohner gleich: WG-Platz kostet 2850 Euro
Neben der Demenz-WG im Bertha-Krupp-Haus gibt es in Essen noch vier weitere Pflege-Wohngemeinschaften. Die Nachfrage ist größer als das Angebot. „Unsere Warteliste ist voll“, sagt Mesanus-Geschäftsführerin Claudia Vrecar.
Die Wohngemeinschaften im Bertha-Krupp-Haus werden rund um die Uhr durch Pflegepersonal betreut. Ein Bewohner oder sein Bevollmächtigter schließt einen Mietvertrag über die Nutzung des 27 Quadratmeter großen Appartments samt Dusche/WC ab.
Wie teuer ist ein WG-Platz? Mesanus rechnet vor: „Ein Platz in der WG kostet für alle Bewohner gleich viel – aktuell 2850 Euro. Er setzt sich zusammen aus Miete und Betreuungskosten. Für die Miete werden 428,45 Euro (incl. Gemeinschaftsbereich + Nebenkosten) berechnet, Betreuung und Verpflegung kosten 2421,55 Euro. Die Pflegekasse bezuschusst die Bewohner mit 205 Euro Wohngruppenzuschlag. Die restlichen Kosten muss der Bewohner selber tragen. Wenn er die Kosten aus eigenen Mitteln nicht tragen kann, ist es möglich, einen Antrag auf Kostenübernahme beim Sozialamt zu stellen.“
Die Grundpflege übernimmt ein Pflegedienst, sie wird je nach Pflegestufe mit den jeweiligen Pflegekassen der Bewohner berechnet. Die Bewohner der beiden WGs im Bertha-Krupp-Haus haben die Pflegestufen 0, 1 und 2.