Bochum-Wiemelhausen. Verwandte sorgen sich um ihre Angehörigen im Altenheim in Bochum-Wiemelhausen. Durch das Besuchsverbot gehe es ihnen von Tag zu Tag schlechter.

Angehörige von Bewohnern des St.-Johannes-Stifts in Bochu m-Wiemelhausen schlagen Alarm. Sie sorgen sich angesichts des nach wie vor geltenden Besuchsverbots in Seniorenheimen um die Gesundheit ihrer Verwandten. Von Gefangenschaft ist da die Rede, und von der Angst, dass sie „wegsterben“ könnten.

Bochum: Angehörige haben Angst um ihre isolierten Verwandten in Seniorenheimen

Eine Frau, die namentlich nicht genannt werden möchte, hofft inständig auf eine Lockerung des Besuchsverbots. So, wie es in einigen anderen Einrichtungen in Bochum schon praktiziert wird. Ihre Mutter lebt im St.-Johannes-Stift und sei inzwischen „resigniert“. Sie weine oft, wenn sie mit der Tochter telefoniert.

Es fehle den Bewohnern an Freiraum, an Abwechslung, an Kontakten. „Das ist wie im Knast. Nur, dass man dort sogar noch einen Hofgang hat.“ Selbst Kanzlerin Angela Merkel habe diesbezüglich gesagt, das sei wie eine Art Gefangenschaft. „Das kann ich nur bestätigen.“

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„Wie viel Lebenszeit hat meine Mutter noch?“, fragt die Frau, „und dann ist sie so gefangen. Die letzten Monate, die man im Leben noch hat.“

Ein Mann, der seinen Namen ebenfalls nicht veröffentlicht wissen möchte, bläst ins selbe Horn. Er sorgt sich um seinen Schwager, der kurz vor der Corona-Krise seine Frau verloren hat. „Seit Wochen darf ihn niemand besuchen, er isst kaum noch. Er stirbt uns weg, wenn er weiter isoliert bleibt.“ Das Heim rede sich raus, schiebe vieles auf die Umbaumaßnahmen hinterm Haus, die einen Spaziergang durch den Park derzeit unmöglich machen.

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Darauf verweist Heimleiter Wilhelm Schulte in der Tat. Für den geplanten Neubau habe man die Brücke, die in den Park führt, abbauen müssen, sagt er. Von daher falle diese Möglichkeit des Ausgangs aktuell flach. „Dahingehend kam Corona wirklich zur Unzeit.“ Allerdings bestehe für die Bewohner durchaus die Möglichkeit, den kleinen Park am Café zu nutzen.

Wilhelm Schulte weiß um die Gemütslage sowohl innerhalb der Senioreneinrichtung als auch außerhalb, in den Familien. „Wir versuchen, in Ausnahmefällen den Kontakt zwischen Bewohnern und Angehörigen zu ermöglichen“, sagt der Heimleiter. Etwa, wenn jemand im Sterben liege. Oder wenn es bei einzelnen Bewohnern gar nicht mehr anders geht.

Hoffen auf eine baldige Entscheidung der Landesregierung

„Wir kennen unsere Bewohner ja gut und tun alles für ihr Wohlergehen“, versichert Wilhelm Schulte, der darauf hofft, dass möglichst bald eine offizielle Erklärung von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) kommt, das Besuchsverbot zu lockern. „Er hat dies ja angedeutet.“

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Doch bis dahin will man im St.-Johannes-Stift jedes Risiko vermeiden und sich strikt an die Regeln halten. „Wir haben täglich Kontakt zu den Behörden und unserer Heimaufsicht“, sagt Wilhelm Schulte, der zugibt, dass „wir panische Angst davor haben, dass etwas passiert.“

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Denn schon gleich zu Beginn der Corona-Krise haben Infizierungen im St.-Johannes-Stift für eine Quarantäne gesorgt. Ein Bewohner starb.

Die Kritik von Außen nimmt sich Wilhelm Schulte dennoch zu Herzen. Er verspricht: „Wir werden alle Beteiligten zu persönlichen Gesprächen einladen und versuchen, Lösungen zu finden.“

Förderverein: Vorstand trat zurück

Dass die Brücke, die den Bewohnern den direkten Weg in den Park ermöglichte, dem Neubau zum Opfer fällt, hatte bei den Freunden und Förderern des St.-Johannes-Stifts für böses Blut gesorgt. Der Vorstand des Fördervereins um die langjährige Vorsitzende Karin Kuhl trat daraufhin geschlossen zurück.

Der Förderverein hatte den damals 174 000 DM teuren Steg 2002 über Spendengelder ermöglicht und sich daher vehement gegen dessen Abriss gewehrt. Grund: Die Brücke diene dem Wohle der Bewohner und sei zu einem Wahrzeichen und Mittelpunkt des Stifts geworden.

Heimleiter Wilhelm Schulte hatte dem wirtschaftliche Zwänge gegenüber gestellt. Man müsse renovieren, um die 80-Prozent-Quote an Einzelzimmern zu erfüllen.

An Lösungen bastelt auch der Soziale Dienst im St.-Johannes-Stift. „Wir tun alles, um unseren Bewohnern die Lage so erträglich wie möglich zu machen“, versichert Leiterin Eveline Futuwi. Dazu zählen Video-Telefonie und Konzerte vorm Haus. „Das nächste organisiere ich gerade für den kommenden Donnerstag.“

Eveline Futuwi weiß, dass die Bewohner unterschiedlich gut mit der Situation klarkommen und einige sehr unter der Isolation leiden. „Vielen fällt auch einfach die Decke auf den Kopf, weil die Abwechslung fehlt.“ Aber dagegen versucht der Soziale Dienst vorzugehen. Futuwi: „Wir machen deshalb mehr Einzelbegleitung und bieten jetzt auch Bewegung in kleinen Gruppen zu je sechs Bewohnern an.“

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Eine hausinterne Rebellion könne sie nicht erkennen, sagt Eveline Futuwi. „Die meisten zeigen immer noch großes Verständnis. Und einige haben nun sogar noch mehr Kontakt zu ihrer Familie als früher. Die nämlich, deren Angehörige weit weg wohnen und nun täglich über Video-Telefonie erreichbar sind.“ Von daher hat das coronabedingte technische Aufrüsten sogar sein Gutes.

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In einer älteren Version dieses Textes stand, dass kein Bewohner des St.-Johannes-Stift am Coronavirus gestorben ist. Das stimmt nicht. Ein 78-Jähriger Mann ist gestorben. Wir haben das korrigiert.