Essen. In Revierstädten wie Herne und Gelsenkirchen waren 2022 Beschäftigte deutlich länger krankgeschrieben als im Landesschnitt. Das sind die Gründe.
In Nordrhein-Westfalen waren im vergangenen Jahr so viele Beschäftigte krank geschrieben wie seit mehr als einem Jahrzehnt nicht. Besonders viele Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen stellten Ärztinnen und Ärzte im Ruhrgebiet aus, wie aus einer Statistik des Dachverbands der Betriebskrankenkassen hervorgeht.
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Der BKK Landesverband Nordwest hat die Daten von bundesweit rund vier Millionen Beschäftigten ausgewertet. Rund eine Million davon kommen aus NRW. Danach stieg die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage hierzulande auf durchschnittlich 23,3. Das sind 6,4 Prozent aller Arbeitstage des vergangenen Jahres. Im Ruhrgebiet war der Krankenstand zum Teil noch sehr viel höher: So kamen die bei der BKK versicherten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Herne mit 29,9 Tagen auf den höchsten Wert Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das einen Anstieg um 4,4 Tage. Auf Platz 2 landet Hagen (28,4 Tage), gefolgt von Gelsenkirchen mit 27,7 Tagen. Sehr viel weniger Krankmeldungen registrierte die BKK dagegen in Düsseldorf (16,7 Tage), in Bonn (17,3) und Münster (18,5).
BKK Nordwest: Nur jeder Dritte ohne Krankschreibung
„Hauptursache für die Entwicklungen sind die überdurchschnittlich hohen Fehlzeiten im Zusammenhang mit Atemwegserkrankungen, verursacht durch die stark ausgeprägten Grippe- und Erkältungswellen im ersten und vierten Quartal 2022“, heißt es in einem Bericht der BKK. Damit waren die Atemwegserkrankungen bundesweit erstmals der häufigste Grund, Beschäftigte krankzuschreiben.
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Auch in NRW entstanden wegen der Schniefwelle enorme Ausfallzeiten: Waren es im Jahr 2021 durchschnittlich 1,8 AU-Tage, schnellte die Zahl 2022 auf 4,7 in die Höhe. Damit liegen die Atemwegserkrankungen hierzulande gleichauf mit den Muskel- und Skeletterkrankungen. An dritter Stelle stehen die psychischen Störungen mit 3,9 AU-Tagen. Eine Zahl alarmiert die BKK besonders: Bundesweit war im vergangenen Jahr nur knapp ein Drittel (32 Prozent) der berufstätigen Versicherten überhaupt nicht krankgeschrieben. Das ist der niedrigste Anteil der letzten zehn Jahre. Der höchste Anteil der „Gesunden“ lag bislang bei 52 Prozent.
Hohes Durchschnittsalter im Ruhrgebiet
Covid-19-Erkrankungen spielten bereits im vergangenen Jahr nach Einschätzung der BKK nur noch eine untergeordnete Rolle. Corona war nur für gerade einmal zwei Prozent der Fehltage verantwortlich. Die stark zunehmenden Atemwegserkrankungen erklärt sich der Landesverband Nordwest indes mit der wieder normalisierten Zahl von Sozialkontakten, die während der Pandemie stark eingeschränkt waren. Zudem beobachtet die Krankenkasse, dass die Beschäftigten bereits im vergangenen Jahr das Homeoffice häufiger verließen und oftmals wieder an ihre Arbeitsplätze zurückkehrten. Es seien „besonders virulente Krankheitserreger“ unterwegs gewesen, „die vielfach auf eine geschwächte Immunabwehr treffen“, vermutet die BKK.
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Das erklärt allerdings noch nicht, warum es im Ruhrgebiet besonders viele Krankmeldungen gab. Die Experten führen den Negativtrend darauf zurück, dass das Durchschnittsalter der Versicherten in den Revierstädten vergleichsweise hoch sei. „Die jüngsten, beschäftigten Mitglieder wohnen unter anderem in Düsseldorf, Köln, Bonn oder Münster“, erklärt der Landesverband. Einfluss auf den Krankenstand hätten auch die Arbeitsbedingen. So werde im Ruhrgebiet häufiger körperlich gearbeitet. „Gegebenenfalls spielen auch Umweltfaktoren eine Rolle. Das heißt wie gesund generell das soziale Umfeld ist, wo man sich erholen kann und wie man medizinisch versorgt wird“, meinen die BKK-Experten.
>>> Fehltage mit AU-Bescheinigung in den Ruhrgebietsstädten
Herne 29,92
Hagen 28,38
Gelsenkirchen 27,71
Duisburg 26,78
Oberhausen 26,09
Bochum 26,07
Recklinghausen 25,79
EN-Kreis 25,78
Bottrop 25,69
Dortmund 24,78
Mülheim 23,38
Essen 22,49
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Düsseldorf 16,70