Essen. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Geldinstitute keinen kostspieligen Erbschein verlangen dürfen, wenn Erben etwa ein Testament des Verstorbenen vorlegen können. Damit wurden die Rechte der Verbraucher gestärkt. Sie sollten frühzeitig ihren Nachlass regeln, um Erben Kosten zu ersparen.

Über 250 Milliarden Euro werden in diesem Jahr vererbt. Bis 2020 soll sich die Summe auf 330 Milliarden erhöhen, so eine Studie der Postbank. Danach gerät jeder siebte Erbe in Streit um den Nachlass. Der Bundesgerichtshof hat jetzt die Rechte der Verbraucher gestärkt: Geldinstitute dürfen nicht in jedem Fall einen teuren Erbschein verlangen.

Was hat der Bundesgerichtshof entschieden?

Der BGH urteilte in letzter Instanz, dass die Sparkasse Gevelsberg von einer Kundin keinen Erbschein verlangen darf, die ein beglaubigtes Testament vorgelegt hatte. Lediglich bei begründeten Zweifeln über den Erbanspruch kann die Bank einen Erbschein verlangen, entschied der BGH.

Was ist ein Erbschein?

Hat die Verstorbene kein notariell beglaubigtes Testament oder einen Erbvertrag hinterlassen, tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Um an die Konten der verstorbenen Mutter zu gelangen, muss die Tochter beim Amtsgericht oder über einen Notar einen Erbschein beantragen. Das Nachlassgericht prüft, ob die Tochter erbberechtigt ist.

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Warum ist der Erbschein so teuer?

Die Kosten setzt das Gerichts- und Notarkostengesetz fest, sie orientieren sich in einer Tabelle an der Höhe des reinen Nachlasses. Vererbt die Mutter 110.000 Euro, muss die Tochter eine Gebühr für den Erbschein in Höhe von 273 Euro bezahlen. In der Regel kommt die Gebühr für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung in gleicher Höhe hinzu. Die Erbin muss also 546 Euro an die Gerichtskasse überweisen, um den Nachlass ihrer Mutter in Empfang zu nehmen. Die Gebühr kann auf bis zu 1557 Euro steigen, sollte das Vermögen die Millionen-Grenze überschreiten oder Grundbesitz zum Nachlass gehören.

Wird der Erbschein nach dem BGH-Urteil nun gänzlich überflüssig?

Nein. In unklaren Fällen dürfen Geldinstitute weiterhin die Vorlage eines Erbscheins fordern. „Derjenige, der ein Erbrecht behauptet, hat dafür auch den Beweis zu erbringen“, erklärt die Deutsche Kreditwirtschaft, in der die Spitzenverbände der Banken und Sparkassen zusammengeschlossen sind. Nach Angaben ihrer Sprecherin Michaela Roth müssen sich die Banken absichern, bevor sie einen Nachlass einem vermeintlichen Erben auszahlen oder wenn sich mehrere potenzielle Erben um das Geld der Verstorbenen streiten. „Die meisten Fälle sind aber unstrittig. Sparkassen und Banken kennen in der Regel ihre Kunden“, sagt Roth.

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Was können Verbraucher tun, um sich auf ein geregeltes Nachlassverfahren vorzubereiten?

„Frühzeitig das Erbe regeln und eine Vorsorgevollmacht erteilen“, rät Michaela Roth von der Kreditwirtschaft und schlägt vor, das Gespräch mit der Hausbank zu suchen und die Erben dort vorzustellen. „Ein notarielles Testament oder ein Erbvertrag sind immer von Vorteil“, sagt Matthias Frohn, Notarassessor bei der Bundesnotarkammer. „Ein handschriftliches Testament reicht nicht aus.“ Der vom Notar beglaubigte Letzte Willen kostet auch Geld, aber nicht so viel wie der Erbschein. Für einen Vermögenswert von 100.000 Euro werden 207 Euro Gebühr fällig.

Wie geht es jetzt weiter?

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen, der beim Bundesgerichtshof geklagt hatte, sieht mit dem Urteil die Verbraucherrechte gestärkt, will aber für eine abschließende Bewertung die schriftliche Begründung abwarten. Erbscheine bringen nach Einschätzung der Juristin Jana Brockfeld die Erben in zeitliche und zum Teil auch in finanzielle Bedrängnis. „Sie müssen die Gebühr erst einmal vorstrecken können, bevor sie an den Nachlass gelangen.“