Essen. Stirbt ein Mensch, bleiben seine persönlichen Daten, Auktionen, Passwörter oder Verträge im Internet weiter lebendig. Für Erben kann der Nachlass zum Problem werden, denn die wenigsten Verträge enden mit dem Tod des Internetnutzers. Juristisch ist vieles noch unklar.

Das digitale Leben bringt neue Themen – und ungeahnte Folgen: den digitalen Nachlass. Unter den 800.000 Menschen, die in Deutschland jährlich sterben, sind immer mehr Internetnutzer, merkt Stiftung Warentest an. Sie hinterlassen nicht nur Immobilien oder Geld, sondern auch Onlinekonten, laufende Auktionen und persönliche Daten in sozialen Netzwerken wie Facebook. Fakt ist: Die wenigsten Verträge enden mit dem Tod des Internetnutzers. Für die Erben kann dieser Nachlass problematisch sein. Denn juristisch ist das Thema nicht klar geregelt. Ein Überblick.

Der digitale Nachlass

Generation online: Neun von zehn Nutzern kaufen im Internet ein, mehr als die Hälfte von ihnen hat ein Profil in einem sozialen Netzwerk, fast jeder Zweite in der Bundesrepublik nutzt Onlinebanking. Stirbt ein Nutzer, gehen die Verträge auf den Erben über: die beim Versandhandel bestellte Küchenmaschine, die beim Onlineportal gebuchte Urlaubsreise. Auch das persönliche Profil des Verstorbenen, seine Urlaubsfotos, Vorlieben und Hobbys, bleiben im Internet weiter abrufbar. Der digitale Nachlass gehört zur Erbschaft, mahnen Juristen auf dem Deutschen Anwaltstag, der jüngst in Düsseldorf stattfand.

Das digitale Erbe ordnen

Den digitalen Nachlass zu sichten, ist für die Erben oft eine langwierige Aufgabe. Ohne Passwörter und andere Zugangsdaten wie etwa die E-Mail-Adresse ist es schwierig, den digitalen Nachlass zu ordnen, sagen Experten von Stiftung Warentest. Juristen wissen aus Erfahrung: In E-Mails stecken oft wichtige Informationen, Hinweise auf Bankkonten, auf Versicherungs- und Kreditverträge oder Dokumente des geschäftlichen Schriftverkehrs.

Checkliste Digitaler Nachlass

Testament: Legen Sie in einem Testament fest, was mit Ihrem digitalen Nachlass geschehen soll. Regeln Sie, wer Zugang zu welchen Internetdiensten erhalten soll.

Vorsorgevollmacht: Sie können auch in einer Vorsorgevollmacht eine Person festlegen, die bei einer schweren Erkrankung bevollmächtigt ist, Verträge zu kündigen oder Daten zu verwalten.

Private Daten: Löschen Sie von Zeit zu Zeit Daten, die niemandem in die Hände fallen sollen. Das können E-Mails oder Fotos sein.

Konten und Passwörter: Ordnen Sie Ihre Onlineaktivitäten und Nutzerkonten, listen Sie diese mit Passwörtern und Nutzernamen auf, wenn Ihre Erben Zugriff haben sollen. Hinterlegen Sie sensible Zugangsdaten wie etwa für Onlinekonten beim Notar.

Prüfung: Beachten Sie den digitalen Nachlass eines Verstorbenen so sorgfältig wie Schriftstücke aus Papier. Er kann wichtige Informationen enthalten, zum Beispiel Hinweise auf Versicherungs- und Kreditverträge.

Zugang: Ob Sie auch ohne Passwort Zugang zu den E-Mails des Verstorbenen erhalten, hängt vom jeweiligen Anbieter ab. Fragen Sie bei dem Unternehmen nach und schauen Sie in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Providers.

Kündigung: Kündigen Sie kostenpflichtige Mitgliedschaften schnellstmöglich. Versuchen Sie, gebuchte Reisen zu stornieren und online geschlossene Verträge zu kündigen. (Quelle: Stiftung Warentest)

Viele Erben aber wüssten oft nicht, wo der Verstorbene überall online aktiv war. Diese digitalen Spuren aber sind Voraussetzung dafür, um die Pflichten des Verstorbenen, die auf den Erben übergehen, erfüllen zu können. Kennt jedoch der Erbe die Passwörter des Verstorbenen nicht, kann er Nutzerkonten nicht selbstständig einsehen und löschen. Er muss sich an den Anbieter des Dienstes wenden, zum Beispiel an den E-Mail-Dienst.

Der Anspruch auf Einsicht

„Nach geltendem Recht ist unklar, ob der Anspruch des Erben wirklich durchsetzbar ist, die E-Mails des Verstorbenen zu lesen“, sagt Professor Peter Bräutigam von der Rechtsanwaltskanzlei Noerr. Hintergrund: „Es gibt derzeit einen Widerspruch zwischen Erbrecht und Fernmeldegeheimnis.“ Anbieter könnten den Zugang unter Hinweis auf das Telekommunikationsgesetz verweigern.

Das schützt auch diejenigen, die mit dem mittlerweile Verstorbenen vor dessen Tod kommuniziert haben. „Es kann aber nicht sein, dass es von dem jeweiligen Provider abhängt, ob ein Erbe an wichtige Informationen wie etwa die Zugangsdaten kommt oder nicht“, kritisieren Juristen. Obwohl erbrechtlich klar ist, dass der digitale Nachlass – inklusive E-Mail-Account, Providerverträgen und Auskunftsansprüchen – auf die Erben übergeht, bedarf es einer klarstellenden gesetzlichen Regelung im Telekommunikationsgesetz, fordert der Deutsche Anwaltverein.

Eine Lösung: Das Testament

Wer seinen Erben die Suche ersparen möchte, regelt den digitalen Nachlass am besten in einem Testament und hinterlegt die Zugangsdaten beim Notar, empfiehlt Stiftung Warentest. Er kann bestimmen, dass ein Testamentsvollstrecker Informationen löscht. Alternative ist eine Vorsorgevollmacht, die eine Person bevollmächtigt, Verträge zu kündigen.

Inzwischen haben auch Dienstleister das Thema entdeckt. Unternehmen bieten den Hinterbliebenen an, diesen Teil der Erbschaft zu sortieren. Auch Google hat reagiert und bietet eine Art Online-Testament an: Wer immer ein Google-Plus, -Mail oder sonst ein Konto beim Suchmaschinen-Giganten hat, kann festlegen, was geschehen soll, wenn er sich drei, sechs oder neun Monate nicht einloggt.