Essen. . Supergünstig, hohe Qualität und gutbezahlte Mitarbeiter und Zulieferer – so soll er sein, der ideale Supermarkt. Rewe erfüllt diese Ansprüche nicht alle, wie der NDR in seinem Markencheck zeigt. Der allerdings ist diesmal eine krampfhafte Suche von Enthüllungsjournalisten nach der berühmten Leiche im Keller.
Jetzt, wo die großen Phänomene der deutschen Einzelhandelslandschaft durchgecheckt sind, stürzen sich die Reporter der Öffentlich-Rechtlichen auf die B-Ware. Beispielsweise Rewe. Auch hier, so dachten sie wohl, wird es irgendeine empörende Sensation aufzudecken geben. Damit sollten sie Recht behalten. Immerhin, auch beim zweitgrößten Lebensmittelhändler Deutschlands geht nicht alles mit rechten Dingen zu.
Die gute Nachricht vorweg: Rewe-Produkte sind billig und größtenteils auch qualitativ hochwertig. Bei den Eigenprodukten kann Rewe mit den günstigen Angeboten von Aldi, Lidl und Co. mithalten, was viele der befragten Passanten überrascht. Auch bei den Markenprodukten macht der Einkauf bei Rewe oder einem anderen Discounter kaum einen Unterschied: 2,50 Euro mehr zahlt man bei Rewe für 25 ausgewählte Lebensmittel. „Es tut sich nichts. Dafür würde ich nicht den weiteren Weg gehen“, sagt eine Frau zu diesem Unterschied.
Sehr gutes Hackfleisch, Schimmel auf den Erdbeeren
Denn das, was sie bei Rewe bekommt, ist auch noch gut: Hack- und Grillfleisch, frische Kirschen und Champignons zaubern dem Lebensmittelsachverständigen Michael Benner fast ein Lächeln auf die Lippen. Nur die gammeligen Erdbeeren schockieren ein bisschen: Schimmel auf Handelsklasse-1-Beeren, das geht nicht. Was noch nicht geht, so sind sich die später befragten Hobbyköche einig, sind gleiche Produkte zu verschiedenen Preisen. Beispiel: die Saure Sahne mit derselben Betriebsnummer, einmal von der günstigen Eigenmarke (JA), einmal von der teureren (Rewe). Gleicher Inhalt, anderer Preis. „Das ist Beschiss am Kunden“, findet einer der Köche. Rewe rechtfertigt dies mit dem kleineren Becher der teureren Sahne, die also die Produktionskosten steigern würde. Muss man nicht verstehen, ist aber so.
Bio-Fans dürfen sich freuen: Die Bio-Produkte von Rewe tragen alle zertifizierte Siegel, bieten also den Bio-Mindeststandard und manchmal sogar noch mehr. Das sei, wie sogar die Tester eingestehen müssen, ein „echter Pluspunkt für Rewe.“
Um ganz sicher zu gehen nehmen die NDR-Markenchecker auch noch die angeblichen Verkaufstricks der Handelskette unter die Lupe und finden … nichts wirklich Neues. Bremszone, Bückzone, Quengelzone und eine Metzgereiauslage die „lecker belichtet“ ist – wer hätte das gedacht, dass auch Rewe mit den üblichen Psychotricks zur Manipulation der Kunden arbeitet? Dafür kommen die Öffnungszeiten, die oft sogar bis 24 Uhr dauern, bei den Käufern gut an. Bis zu 10 Prozent der Wocheneinkäufe, so eine Auskunft der Handelskette, werde nach 20 Uhr erwirtschaftet.
Lohndumping und Werkverträge
Aber: Das klingt alles zu positiv für einen vernünftigen Markencheck. Schließlich hat Rewe alle Anfragen des NDR zur Zusammenarbeit kategorisch abgelehnt. Also muss da doch irgendetwas faul sein! Na klar, der Umgang mit den Mitarbeitern und Zulieferern. Sandra (will unerkannt bleiben) verdient als erfahrene Verkäuferin nur 6,50 Euro in der Stunde in einer Rewe-Franchise-Filiale. In den zentral geführten Märkten bekäme sie tarifliche 14 Euro in der Stunde. Außerdem setzt die Handelskette, wie ein Enthüllungsjournalist (nein, nicht Günter Wallraff) jüngst herausfand, auch Arbeiter mit Werkverträgen ein. Das heißt, dass diese nur dafür bezahlt werden, ein Werk zu vollbringen, beispielsweise ein Regal zu füllen. Das ist günstiger, als jemanden einzustellen und sogar billiger als Leiharbeiter. Nur wird den „Werkverträglern“ auch abverlangt, dass sie zusätzlich Kunden beraten. Dabei heraus kommen Stundenlöhne, von denen man nicht leben kann. Immerhin beutet Rewe keine rechtlosen Mütter mit fünf Kindern in Drittländern aus, wie es bei vielen anderen bisher getesteten Marken der Fall war.
Nicht leben können übrigens auch die Milchbauern von den 27 Cent pro Liter, die ihnen die Molkereien bezahlen, damit der Kunde später frische JA-Milch für 45 Cent kaufen kann. „Das ist schon unterhalb der Schmerzgrenze“, sagt Milchbauer Ottfried Wolter. Er selbst tischt seinen Kollegen jedoch abgepackte Salami aus dem Supermarkt auf, deren Erzeuger wohl ebenfalls über den Billig-Wahn der Verbraucher jammert.
Und hier schließt sich der Kreis: empörte Passanten versprechen angesichts der Rewe-Mitarbeiterpolitik keinen Fuß mehr in ein solches Geschäft zu setzen, stehen aber in zwei Wochen schon wieder um 21 Uhr an der Quengelzone und kaufen die Saure Sahne von JA, weil sie so günstig ist und es halt schnell und unkompliziert gehen muss. Und die Verkäuferin, deren Schicht noch bis Mitternacht dauert, bleibt bei Rewe, weil anderswo genauso schlecht gezahlt wird. Die NDR-Tester checken währenddessen weiter Marken in der Hoffnung, einmal das einzige Unternehmen zu finden, das günstige Produkte, gute Qualität UND faire Arbeitsbedingungen vereint.