Essen. . Drei Jahre und drei Monate Gefängnis für Thomas Middelhoff. So lange wollen die Ankläger den früheren Chef von Karstadt-Quelle in Haft sehen. Sie werfen dem 61-Jährigen vor, den Konzern mit privaten Kosten in Höhe von fast einer Million Euro geschädigt zu haben.
Der frühere Karstadt-Manager Thomas Middelhoff soll ins Gefängnis, forderte am Donnerstag die Staatsanwaltschaft vor dem Essener Landgericht. Drei Jahre und drei Monate Haft wegen Untreue beantragte sie.
Der 61-Jährige, der morgens noch eigenmächtig das Radio in der Kantine leiser gestellt hatte, verließ nach dem dreistündigen Plädoyer schnell den Saal. Ein Journalist sprach ihn an, doch der sonst leutselige Bielefelder wehrte ab: „Kein Kommentar.“ Dann ließ er sich zu einem „lächerlich“ herab. Offen blieb, wen er meinte.
Die beiden Ankläger der Bochumer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität zeigten sich nach rund 30 Prozesstagen überzeugt, dass er den Essener Karstadt-Quelle-, später Arcandorkonzern schwer geschädigt hatte.
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Das Unternehmen habe sich 2004 bis 2009 zu Middelhoffs Zeit in einer wirtschaftlichen Krise befunden, den Mitarbeitern seien Sonderopfer abverlangt worden. Und in dieser Zeit habe er private Ausgaben in Höhe von fast einer Million Euro dem Konzern angelastet.
Die teuerste Flugreise kostete 91.500 Euro
Staatsanwalt Helmut Fuhrmann hatte betont, dass es nicht darum gehe, wie die Insolvenz von Arcandor zu verhindern gewesen wäre. Es gehe darum, ob der Angeklagte private Kosten von Karstadt-Quelle bezahlen ließ, „obwohl sie nicht oder nicht vollständig im Interesse des Unternehmens lagen“.
Aus Sicht der Ankläger hatte die Mehrheitsaktionärin Madeleine Schickedanz ihm keine Erlaubnis erteilt, für private Flüge Charter- statt Linienmaschinen zu benutzen. Deshalb hätte er die Kosten selbst aufbringen müssen, wenn er in den USA sein Aufsichtsratsmandat für die New York Times wahrnahm.
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Falls er dort „bei Gelegenheit“ noch ein für Karstadt veranlasstes Gespräch geführt habe, müsse er zumindest für einen Teil der Kosten aufkommen. Die teuerste Flugreise bezifferte Fuhrmann mit 91.500 Euro, die Karstadt bezahlen musste.
Mit dem Hubschrauber zur Arbeit
Die seinem Vermögensverwalter Josef Esch gehörende Charterfirma „Challenge Air“ hatte Middelhoff auch in Europa genutzt, etwa wenn er nach St. Tropez ins Feriendomizil flog. Middelhoff hatte das damit begründet, dass er wegen Arcandor so in Zeitnot war, dass der schnelle Transport im Interesse der Firma gelegen hätte.
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Fuhrmann warf ihm dagegen vor, die Zeitnot sei durch seine privaten Engagements verursacht worden. Die Hubschrauberflüge von Bielefeld zur Arbeit in Essen, weil die Fahrt mit dem Auto zu lange dauerte? Fuhrmann: „Wohnt ein Arbeitnehmer zu weit weg, muss er umziehen.“
Staatsanwältin Daniela Friese nahm sich die „Vorstandswochenenden“ in St. Tropez vor Auch diese Reisen hätte Middelhoff nicht komplett über Arcandor abrechnen dürfen, weil der Freizeitgedanke überwiege. Friese: „Er wollte sein geliebtes Haus zeigen. Das darf er, wenn er selbst zahlt.“ Die Festschrift, die er für seinen Ex-Chef bei Bertelsmann, Mark Wössner, erstellen ließ, hätte auf keinen Fall im Interesse von Karstadt gelegen. 180 000 Euro kostete sie.
Ankläger sahen Middelhoff schuldig in 44 Punkten
In 44 Punkten sahen die Ankläger ihn schuldig. An einem der Fälle, der teuersten Flugreise, machte Daniela Friese deutlich, warum die Strafe aus ihrer Sicht nicht niedrig liegen könne: „Wie soll denn eine Karstadt-Verkäuferin bestraft werden, die 91.500 Euro aus der Kasse nimmt?“
Middelhoffs Verteidiger Winfried Holtermüller gab sich siegessicher, dass das Gericht im Urteil am 12. oder 13. November die Fälle juristisch anders bewerten werde als die Ankläger. Er plädiert kommende Woche: „Auf Freispruch.“