Düsseldorf. Das Bundesverwaltungsgericht hat geurteilt: Länder dürfen Beamte nicht von Tarifabschlüssen abkoppeln. Damit geraten die Mini- und Nullrunden für 170.000 NRW-Staatsdiener womöglich ins Wanken. Die rot-grüne Landesregierung hatte dies mit dem Sparzwang durch die Schuldenbremse begründet.

Richter können so humorlos sein. In den Abend der Düsseldorfer Weiberfastnacht hinein haben die Rotroben des Bundesverwaltungsgerichts der rot-grünen Landesregierung am Rhein einen herben Tiefschlag versetzt. In umständlichem Juristendeutsch stellten sie im letzten Absatz ihres Urteils zum Streikverbot für Beamte lapidar fest: „Die Besoldungsgesetzgeber im Bund und in den Ländern sind verfassungsrechtlich gehindert, die Beamtenbesoldung von der Einkommensentwicklung, die in den Tarifabschlüssen zum Ausdruck kommt, abzukoppeln.“

170.000 Staatsdiener in NRW der mittleren und höheren Besoldungsstufen – es sind leitende Polizisten, Staatsanwälte, Richter, auch Lehrer und Studienräte – werden das gespannt lesen. Ihnen hat das NRW-Kabinett 2013 die Einkommenserhöhung zum Teil oder gleich ganz verweigert.

Spitzenverdienern wird zweijährige Nullrunde verordnet

Denn anders als bei Polizeioberkommissaren (A 7, 2305 Euro) oder Finanzamtsinspektoren, die bis Ende 2014 in zwei Schritten 2,65 und 2,95 Prozent Erhöhung erhalten und damit den gleichen Zuschlag wie Tarifangestellte, wird schon Lehrern an Grundschulen (A 12, 3558 Euro) ein magerer Zuwachs zugemutet. Spitzenverdienern unter den Landesbeamten wird die zweijährige Nullrunde verordnet. Die Landesregierung begründet das mit dem Schuldenverbot, dem die Länder ab 2020 unterworfen sind. Der Finanzminister spart so 710 Millionen Euro.

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Klaus Dauderstädt, der Chef des Deutschen Beamtenbundes, witterte eine kleine Sensation: „So eine Aussage haben wir bisher von keinem höchsten Gericht bekommen. Das hat Auswirkungen auf NRW, wo sich Zehntausende Beamte mit Nullrunden begnügen müssen.“ Dauderstädt fordert das Land auf, nicht nur „nachzubessern“. Es soll gegebenenfalls rückwirkend zahlen. Verfassungswidrig habe man in Düsseldorf gehandelt, sagt Dauderstädt. Mehr: „Wir haben bisher den Grundsatz Tarifrecht bricht Haushaltsrecht. Das bedeutet, dass Tarifabschlüsse umgesetzt werden müssen“ – ungeachtet der Kassenlage. „Jetzt haben wir eine Ergänzung: Auch Besoldungsrecht bricht Haushaltsrecht.“

Die Leipziger Verwaltungsrichter bringen mit dem „politischen Spruch“, so Experten, nicht nur NRW in die Klemme. Mit Ausnahme von Bayern und Hamburg haben alle Länder Gehälter für höhere Beamte beschnitten – durch zeitlichen Aufschub, Staffelung oder Nullrunden, dem Extremfall.

Fast alle Länder wollten sparen

Muss die Landesregierung sofort handeln? Eine direkte Wirkung des Urteils, das mit dem Ja zum Streikverbot für Beamte doch einen anderen zentralen Tenor hat, ist beschränkt. Anders ausgedrückt: Es überrascht, dass das Gericht einen Zusammenhang zwischen Beamtenstatus und Tarifrunden sieht. Auch der Beamtenbund glaubt, dass dieses Votum eher als Argument in weiteren Prozessen gegen die verweigerte Tarif-Übertragung in NRW dienen wird. Doch „die Landesregierung kann sich nicht erst in zehn Jahren damit befassen“, sagt Ober-Beamte Dauderstädt. „Sie muss jetzt entscheiden, wie sie zu einem verfassungswidrigen Landesgesetz steht.“

Derzeit hält sie sich karnevals-betäubt zurück. Aber tollen Tagen folgt immer der Aschermittwoch.