Berlin. . Seit der Wiedervereinigung wurde in Deutschland nicht mehr so viel Braunkohlestrom produziert, der CO2-Ausstoß steigt – trotz der Energiewende. Viel Strom fließt ins Ausland. Grüne und Umweltschützer fordern ein Umsteuern. Experten warnen vor negativen Folgen für die Umwelt.
Der zunehmende Einsatz von Braun- und Steinkohle zur Stromerzeugung hat eine Debatte über den Klimaschutz in Deutschland ausgelöst. Energie-Expertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) machte unter anderem die Kohlekraftwerke dafür verantwortlich, dass das deutsche Ziel zur Kohlendioxid-Reduzierung möglicherweise verfehlt werde. Der Energiekonzern Vattenfall warnte dagegen davor, Arbeitsplätze in der Energiewirtschaft zu gefährden.
Trotz der Energiewende und des Zubaus zahlreicher Wind- sowie Sonnenkraftwerke ist die Stromproduktion in Kohlekraftwerken 2013 abermals gestiegen. Das geht aus Zahlen der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen hervor, die unter anderem von Verbänden der Energiewirtschaft getragen wird. Im vergangenen Jahr produzierten Braunkohle-Kraftwerke demnach 162 Milliarden Kilowattstunden Strom. Das war ein Anteil von 25,8 Prozent der gesamten in Deutschland hergestellten elektrischen Energie. Der Anteil der Braunkohle, die besonders klimaschädlich ist, steigt schon seit 2011 wieder an. Ähnlich, aber nicht so stark, ist der Trend bei der Steinkohle. Auch deren Anteil nahm 2013 auf 19,7 Prozent zu. 2012 lag ihr Beitrag bei 18,5 Prozent.
Braunkohle-Anteil sinkt von 57 auf 45,5 Prozent
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Langfristig allerdings läuft die Entwicklung gegen die Kohle. Machte ihr Anteil an der deutschen Stromproduktion 1990 fast 57 Prozent aus, so sind es heute noch 45,5 Prozent. Auch der Beitrag der Atomkraftwerke sinkt deutlich – ein Ergebnis des Atomausstiegs. Parallel dazu wächst die Bedeutung der erneuerbaren Energien. Wind-, Solar- und andere Regenerativ-Kraftwerke produzierten 2013 gut 23 Prozent des Stroms (1990: 3,6 Prozent).
„Infolge der europäischen Wirtschaftskrise ist die Nachfrage nach Energie gesunken“, erläuterte Christoph Podewils von der Organisation Agora Energiewende die Ursachen des größeren Anteils von Braun- und Steinkohle. So sei der Preis der Zertifikate zurückgegangen, die unter anderem Braun- und Steinkohlekraftwerke kaufen müssen, wenn sie klimaschädliches Kohlendioxid ausstoßen wollen. Deren Produktion wird dadurch billiger, sie können den Kunden einen günstigeren Preis anbieten. Dieser liege dann oft unter dem von Strom aus Gaskraftwerken.
Betreiber von Braunkohle-Tagebauen wie Vattenfall und RWE profitieren außerdem von einem weiteren Mechanismus. „Wenn ein Tagebau erst einmal erschlossen ist, fallen nur noch geringe Produktionskosten an, zum Beispiel für den Strom der Bagger und Förderbänder“, sagte Podewils. Der Weltmarktpreis für Erdgas sei dagegen gestiegen.
Die oftmals „günstigeren Grenzkosten“ von Braun- und Steinkohle gegenüber Erdgas bestätigt auch eine Sprecherin des Unternehmens Vattenfall. Dies sei ein wesentlicher Grund, warum im vergangenen Jahr so viel deutscher Strom in die Niederlande geflossen sei. Die dortige Stromproduktion läuft zu rund der Hälfte mit Gas. Viele niederländische Stromkunden bevorzugen jedoch den billigen deutschen Kohlestrom. Der Anteil der Elektrizität aus Kohle ist außerdem gestiegen, weil diese Kraftwerke teilweise die Grundlast ersetzen, die früher die Atomanlagen bereitstellten.
Klimaziele nicht zu erreichen
DIW-Expertin Kemfert, aber auch Grüne, Linke und Umweltverbände halten die zunehmende Bedeutung des Kohlestroms für problematisch. Kemfert sagte gegenüber dieser Zeitung: „Das deutsche Ziel, den Ausstoß von Klima-Gasen bis 2020 gegenüber 1990 um 40 Prozent zu senken, ist vermutlich nicht mehr zu erreichen.“ Dazu seien größere Anstrengungen im Verkehr, im Wohnungsbau, aber auch bei den Kraftwerken nötig. „Ein schnellerer Verzicht auf die Verstromung von Braun- und Steinkohle wäre ein zusätzlicher Beitrag zum Klimaschutz“, so Kemfert.
Um diesen zu erreichen, empfahl sie: „Wir sollten die Kohlendioxid-Zertifikate dadurch verteuern, dass wir dem europäischen Emissionshandelssystem etwa 1400 Millionen Tonnen pro Jahr entziehen.“ Weil die Zertifikate dann knapper wären, stiege ihr Preis – und damit auch der des Kohlestroms. Im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung aus Union und SPD eine solche Maßnahme festgeschrieben, allerdings in geringerem Umfang und nur vorübergehend.
Eine Sprecherin von RWE erklärte: „Das geeignete Instrument für den Klimaschutz ist der Emissionshandel.“ RWE habe sich schon vor geraumer Zeit dafür eingesetzt, diesen durch ehrgeizigere CO2-Minderungsziele auf europäischer Ebene zu verbessern.