Essen. . Die Folgen der Energiewende kommen auch im rheinischen Revier beim umstrittenen Projekt Garzweiler an. Eigentlich sollte bis zum Jahr 2045 Braunkohle gefördert werden. Beim Essener Energiekonzern RWE wird nun eine vorzeitige Stilllegung diskutiert – mit weitreichenden Folgen.

Seit Jahrzehnten fressen sich die riesigen Schaufelradbagger in die Landschaft im rheinischen Revier. Ganze Dörfer mussten weichen, damit im großen Stil Braunkohle gefördert werden kann. Tausende Menschen haben ihre Heimat verloren. Bis heute gehört das auf Jahrzehnte angelegte Großvorhaben Garzweiler zu den besonders umstrittenen Industrieprojekten in Deutschland.

Doch bis jetzt schien klar zu sein: Eine sichere Stromversorgung und Tausende Arbeitsplätze in NRW zählen mehr als die Bedenken von Umweltschützern. Das könnte sich nun ändern. Spekulationen über ein vorzeitiges Aus für die Braunkohlenförderung des Essener Energiekonzerns RWE machen die Runde.

Ökostrom verdrängt Braunkohle

Die Folgen der Energiewende kommen auch im rheinischen Revier an. Seit der Tagebau Garzweiler II im Sommer 2006 in Betrieb gegangen ist, hat sich einiges geändert. Das Energiekonzept der Bundesregierung sieht vor, dass die Stromversorgung in Deutschland bis zum Jahr 2050 nahezu vollständig aus erneuerbaren Energien gedeckt werden soll.

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Subventionierter Ökostrom sorgt schon heute dafür, dass die Braunkohle nicht mehr so rentabel ist wie in der Vergangenheit. Strom aus Wind und Sonne verdrängt zunehmend das Angebot aus Braunkohlekraftwerken.

Eigentlich ist das Projekt Garzweiler II bis zum Jahr 2045 angelegt. Rund 1,3 Milliarden Tonnen Braunkohle sollten abgebaut werden. Dafür müssten wohl 7600 Menschen umgesiedelt werden.

„Recht auf Heimat“ gegen „Sicherung der Energieversorgung“

Erstmals beschäftigt sich auch das Bundesverfassungsgericht mit Garzweiler. Bürger, die den Baggern nicht weichen wollen, berufen sich auf ein „Recht auf Heimat“. RWE verweist auf die „Sicherung der Energieversorgung“. Es könnte sein, dass die Richter die Hürden für die Zwangsenteignung von Bürgern künftig höher legen. Die Frage stellt sich, ob der Abbau von Braunkohle dem Wohle der Allgemeinheit dient, wenn zunehmend Ökostrom zur Verfügung steht.

Es geht auch um viele Jobs. RWE beschäftigt im rheinischen Revier rund 10.000 Mitarbeiter – allein bei Garzweiler II sind es rund 1750 Arbeitsplätze. Bei den Gewerkschaften macht sich Unruhe breit.

Die Frage, ob und wie sich der Betrieb von Großkraftwerken noch auszahlt, dürfte auch bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin eine Rolle spielen. Im Gespräch ist, die Konzerne zu belohnen, wenn sie Kohle- und Gaskraftwerkskapazitäten bereitstellen, falls der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint. RWE erzeugt etwa 40 Prozent seines Stroms aus Braunkohle. Der Düsseldorfer Konkurrent Eon setzt stärker auf klimafreundlichere Gaskraftwerke.

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Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet von Überlegungen im RWE-Konzern, den Tagebau Garzweiler schon 2017 oder 2018 zu beenden. RWE-Chef Peter Terium reagierte prompt. „RWE hält an seinen bisherigen Planungen zur Fortführung des Tagebaus Garzweiler II unverändert fest“, sagte er.

„Garzweiler – das ist kein Heiligtum“

Doch die Debatte ist eröffnet. Nordrhein-westfälische SPD-Politiker wie der Bochumer Thomas Eiskirch bezeichneten die Braunkohle als „unverzichtbar für den Industriestandort“. Die Umweltschutzorganisation BUND erklärte dagegen, ein „Ausstieg aus der Braunkohle“ sei überfällig.

Erst vor einem Jahr hatte RWE in Neurath ein großes Braunkohlekraftwerk eingeweiht. Bei den Planungen im Konzern geht es wohl vor allem um die Frage, in welchem Umfang künftig Braunkohle für die Stromerzeugung eingesetzt wird. Etwa alle fünf Jahre stelle sich die Frage, wo es neue Umsiedlungen und entsprechende Genehmigungen geben soll. Zum Thema Garzweiler sagte ein Insider: „Das ist kein Heiligtum.“ Der Tagebau rechne sich nur, wenn auch die Kraftwerke laufen.