Essen. . Der Statistik nach ist die Warnung der CSU vor der Armutsmigration unbegründet: Rumänen und Bulgaren beziehen weit seltener Sozialleistungen als andere Ausländer. Doch in einzelnen Vierteln, etwa in Duisburg und Dortmund, sehen die Zahlen ganz anders aus. Und die Städte werden damit nicht fertig.

Nachdem die Grenzen zum deutschen Arbeitsmarkt gefallen sind, erwartet die Bundesagentur für Arbeit für dieses Jahr den Zuzug von 100 000 bis 180 000 Rumänen und Bulgaren. Müssen wir nun eine „Armutsmigration“ befürchten, wie sie die CSU prophezeit, oder ist die Hoffnung der Wirtschaft auf eine willkommene „Arbeitsmigration“ berechtigt? Und was kommt auf Städte wie Duisburg und Dortmund zu, in denen Sinti und Roma, in ihrer osteuropäischen Heimat unterdrückte Minderheiten, schon heute ganze Straßenzüge bevölkern?

Die CSU präzisiert ihre Warnung vor einem Zuzug in die Sozialkassen nicht, sondern nennt allgemein Rumänien und Bulgarien. Auf die Statistik können sich die Vorbehalte der Bayern dabei nicht stützen. Ganz im Gegenteil: Entgegen der jeweiligen Vorurteile sind die in den vergangenen Jahren zugewanderten Rumänen und Bulgaren

  • deutlich seltener arbeitslos,
  • weit weniger von Hartz IV abhängig und beziehen
  • ungleich seltener Kindergeld als der Durchschnitt aller in Deutschland lebenden Ausländer.

Kindergeld ist offenbar kein Migrationsmotor

Laut der jüngsten Erhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat der bereits seit 2011 deutlich angestiegene Zuzug aus den neuen EU-Ländern daran nichts geändert. Die Befürchtung, kinderreiche Familien kämen nur wegen des Kindergeldes in unser Land, hält der Statistik am wenigsten stand: Mit 8,8 Prozent bezogen Rumänen und Bulgaren nur gut halb so oft Kindergeld wie die ausländische Bevölkerung insgesamt (15 Prozent).

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Jeder vierte der rumänischen und bulgarischen Zuwanderer verfügt über einen Hochschulabschluss. Sie arbeiten vor allem im Gesundheitswesen, etliche rumänische Ärzte wurden in deutschen Kliniken engagiert, weil es an deutschem Nachwuchs mangelt. 40 Prozent sind Facharbeiter, sie fanden auf dem Bau, in der Industrie und im Handel eine Beschäftigung.

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Mit 35 Prozent ist der Anteil ungelernter Zuwanderer aus den osteuropäischen Ländern vergleichsweise hoch. Sie sind im Wesentlichen als Saisonarbeiter auf deutschen Feldern tätig, ersetzen dort polnische Erntehelfer, die es nicht mehr so sehr nach Deutschland zieht. Da Erntehelfer schon bisher in Deutschland arbeiten durften, rechnet das IAB mit der nun vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit eher mit einer steigenden Qualifikation der osteuropäischen Zuwanderer.

In Duisburg und Dortmund sieht es ganz anders aus

Diese positiven Zahlen helfen Duisburg und Dortmund freilich nicht, denn dort sehen sie ganz anders aus. Laut IAB war von den Rumänen und Bulgaren in Duisburg Mitte 2013 jeder dritte arbeitslos, in Dortmund jeder fünfte. „Die sozialen und ökonomischen Probleme, die mit dem Begriff ,Armutszuwanderung’ verbunden werden, konzentrieren sich vor allem in dieser Gruppe“, schreiben die IAB-Forscher.

Dies könnte sich zuspitzen, denn nach den bisherigen Erfahrungen ziehen die im Durchschnitt geringer qualifizierten Sinti und Roma bevorzugt in Viertel, in denen bereits viele ihrer ethnischen Minderheit leben. Das IAB empfiehlt daher finanzielle Hilfen des Bundes für diese Kommunen. Denn insgesamt stelle die Zuwanderung aus Osteuropa „keine Gefahr für den Sozialstaat“ dar.