Berlin.

Die CSU kann sehr schrill sein, wenn es passt. Gerade passt es. Weil Bulgaren und Rumänen seit dem 1. Januar keine Arbeitserlaubnis mehr in der EU brauchen, gibt es eine Angst vor Armutszuwanderern. Seit Jahren klagen überdies Kommunen - nicht nur Duisburg - über Sinti und Roma, die aus beiden Ländern kommen. Auf die Stimmung reagiert die CSU mit der Forderung, jetzt schärfer gegen den Missbrauch der Sozialsysteme vorzugehen. „Wer betrügt, fliegt“ - so steht es im Papier, dass die CSU-Landesgruppe nächste Woche in Wildbad Kreuth verabschieden will.

Das sei eine „berechtigte Zuspitzung“, verteidigt sich Gerda Hasselfeldt, die Chefin der CSU-Landesgruppe. Es sei „populistische Stimmungsmache“, schimpft SPD-Fraktionsvize Carola Reimann. Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier reagierte mit Unverständnis. Der Streit verschafft der CSU in der nachrichtenarmen Zeit nach Weihnachten Aufmerksamkeit.

Drei Millionen Bürger aus beiden Ländern leben in anderen EU-Staaten. In Deutschland halten sich rund 260 000 Rumänen und 140 000 Bulgaren auf, die meisten in Bayern, dicht gefolgt von NRW und Baden-Württemberg. Fachleute schätzen, dass ihre Zahl um weitere 180 000 steigen könnte. Andererseits waren viele Beschränkungen schon 2012 gefallen. Hochschulabsolventen brauchen seither keine gesonderte Arbeitserlaubnis mehr. Auch für Saisonarbeitskräfte wurden die Auflagen gesenkt. In den letzten Jahren waren fast drei Viertel der Zuwanderer aus beiden Ländern jung und hatten eine Ausbildung - für die Wirtschaft willkommene Fachkräfte. Von ihr hört man keine Klagen.

Unter den sechs Millionen Beziehern von Hartz IV sind 18 000 Rumänen und 20 000 Bulgaren. Die Zahlen sind eher unauffällig, gerade im Vergleich mit anderen Zuwanderergruppen. Für Hartz IV gilt eine dreimonatige Sperre. Erst wer Arbeit gefunden hat, erwirbt wiederum Ansprüche auf Hilfe. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass sie Anspruch auf Kindergeld haben, und zwar unabhängig davon, ob der Nachwuchs in Deutschland lebt. Es gibt Familien, die vorrangig von Kindergeld leben. Darüber hinaus konnten sich die Zuwanderer schon bisher selbstständig machen und bei geringen Einnahmen Aufstocker-Leistungen beantragen. Das ist weder einfach - die Behörden überprüfen die Selbstständigkeit - noch kommt es häufig vor. Im Juli 2013 wurden für 1300 Bulgaren und 780 Rumänen Aufstockerleistungen gezahlt. Das sind keine auffälligen Zahlen im Vergleich mit anderen Gruppen.

Die CSU fürchtet, dass vermehrt unqualifizierte Zuwanderer kommen, die es auf Sozialleistungen abgesehen haben. Ähnliche Bedenken gab es 2011, als die Arbeitnehmerfreizügigkeit für Polen und Ungarn eingeführt wurde. Sie erwiesen sich als unbegründet.

Kommunalwahlen stehen an

Das ist für die CSU kein Grund, die Stimmung zu ignorieren. Im März stehen im Freistaat Kommunalwahlen an, im Mai Europawahlen. Die CSU will die Freien Wähler kleinhalten und die Euro-Skeptiker von der Alternative für Deutschland (AfD) gar nicht erst groß werden lassen.

Die CSU lässt sich auch als Protestpartei nicht von anderen überbieten. Ein gewisser Verbalradikalismus hat ohnehin Tradition, gerade zum Treffen in Kreuth. CSU-Chef Horst Seehofer rät jedem, nicht bei jedem Stichwort „auf den höchsten Wipfel der Tanne zu klettern“. Gemeint ist in erster Line SPD, der neue Koalitionspartner in Berlin, der sich an das bayrische Granteln erst gewöhnen muss. Überrascht kann die SPD nicht sein. In den Koalitionsverhandlungen hatte man sich darauf verständigt, „Anreize für Migration in die sozialen Sicherungssysteme zu verringern.“

Nicht erträglicher

Das macht die CSU-Kampagne für die SPD nicht erträglicher. Ihr Außenminister Steinmeier mahnt, wer die Freizügigkeit infrage stelle, „schadet Europa und schadet Deutschland“. Für SPD-Fraktionsvize Reimann lesen sich die CSU-Papiere so, als wolle man die Vorurteile gegenüber Sinti und Roma „unterschwellig“ benennen. Sie werden nicht an den Pranger gestellt, sind aber wohl gemeint. Das sei „grenzwertig populistisch“, klagt Reimann. Sie kann sich noch daran erinnern, wie die Kommunen um mehr Unterstützung gebeten hatten, um die Zuwanderung besser beherrschen zu können. „Dazu war die CSU in den Koalitionsverhandlungen nicht bereit. Das ärgert mich“, sagt Reimann. Das sei eine Doppelzüngigkeit - „die finde ich ekelhaft“.