Berlin. . Vielen Finanzberatern gehe es zu sehr ums Verkaufen, kritisieren Verbraucherschützer. Eine Stichprobe zeige, dass empfohlene Produkte oft am Kundenbedarf vorbeigehen - vor allem wegen zu hoher Kosten. Die Verbraucherzentralen fordern einen staatlichen Altersvorsorge-Fonds.

Es hat sich trotz Lehmann-Pleite, trotz scharfer Kritik an der gierigen Finanzbranche, trotz neuer Gesetze nichts geändert: Wendet sich ein Kunde an seine Bank oder Versicherung um sich über Geldanlagen beraten zu lassen - bekommt er vielfach angedreht, was er nicht will: dubiose Finanzprodukte, schräge Anlagen, hohes Risiko. Das ist das Ergebnis einer neuen Stichprobe Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv).

Fast 300 Beratungsgespräche hat der Verband ausgewertet. Ergebnis: 42 Prozent der Finanzprodukte im Vermögen der Ratsuchenden waren für deren Bedarf ungeeignet, die Hälfte davon wegen zu hoher Kosten. Zudem prüften die Fachleute auch neu angebotene Verträge. Dabei fielen sogar neun von zehn Angebote durch, auch hier überwiegend, weil sie zu teuer waren. Weitere Kriterien für eine schlechte Bewertung waren zu geringe Renditen oder zu riskante Produkte.

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Beispiel: Ein 29-Jähriger ließ in der Beratungsstelle einer Verbraucherzentrale seine Sparanlagen überprüfen. Das Ergebnis fiel ernüchternd aus. Denn für das Ziel, in einigen Jahren eine Immobilie zu kaufen, waren die ihm von Bankberatern empfohlenen Produkte schlicht nicht geeignet.

Darunter befanden sich zum Beispiel zwei fondsgebundene Rentenversicherungen, die von den Verbraucherschützern als zu unflexibel und zu teuer eingestuft wurden. „Die zum großen Teil bereits bezahlten Abschlusskosten dieser nicht bedarfsgerechten Produkte schätzen wir auf rund 9000 Euro“, sagt der Finanzexperte der baden-württembergischen Verbraucherzentrale, Nils Nauhauser. Der Kunde hätte deutlich kostengünstiger und besser verzinst Geld für sein großes Ziel sparen können.

Verkäufer statt Berater

„Finanzberater sind heute in Wirklichkeit keine Berater, sondern schlicht Verkäufer“, kritisiert Dorothea Mohn vom vzbv. Den Grund für die oft nur dritt- oder viertbeste Lösung für die Kunden sieht sie in den Provisionen, die Anlageberater für den Verkauf vieler Produkte kassieren. Auch könnten die meisten Kunden die komplizierten Angebote nicht beurteilen.

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Die Finanzwirtschaft weist den Vorwurf einer schlechten Beratung zurück. Die Qualität einer Beratung dürfe nicht nur an den Kosten festgemacht werden, kritisiert der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV). Die Berater der Versicherungen hätten ein eigenes Interesse an zufriedenen Kunden, weil sie bei einer Stornierung von Verträgen Teile ihrer Provision verlören.

Die Kreditinstitute sehen ebenfalls keine Mängel bei ihren Beratern. „Deutsche Banken und Sparkassen legen größten Wert auf eine faire, transparente und an den Bedürfnissen der Kunden ausgerichtete Anlageberatung“, so deren Spitzenverband.

Staatlicher Altersvorsorge-Fonds

Der vzbv fordert dagegen eine grundlegende Reform der Finanzberatung durch die Bundesregierung. Eine Kernforderung ist die Trennung der Beratung der Anleger vom Verkauf der Geldanlagen. Auch sollen die Anforderungen an die Ausbildung der Berater erhöht werden. Vor allem aber setzt sich der Verband für einen staatlich geleiteten Altersvorsorgefonds ein, der jedermann Zugang zu einer Basisabsicherung ermöglichen soll.

In Schweden etwa gibt es so einen Fonds bereits für die private Altersvorsorge. Laut Mohn kann die Rentenversicherung das Management eines Staatsfonds übernehmen. Bislang hat die Bundesregierung dies immer abgelehnt. Und auch im Entwurf des Koalitionsvertrages ist davon keine Rede.

Der GDV lehnt einen Staatsfonds ab.