Rüsselsheim. Zwei Tage war GM-Chef Fritz Henderson zu Besuch in der Opelzentrale. Doch wer von ihm Neuigheiten über die Zukunft des Autobauers erhoffte, sah sich enttäuscht. Bis auf eine Personalie hatte Henderson nichts zu verkünden. Für die Opelaner dürften die nächsten Wochen zermürbend werden.
Nick Reilly, 59-jähriger Leiter des Auslandsgeschäftes von General Motors, übernimmt sofort die Verantwortung für Opel in Europa. Ansonsten ließ GM-Boss Fritz Henderson alle wichtigen Fragen über die Zukunft des Autobauers bei seinem Besuch am Dienstag in Rüsselsheim wortreich unbeantwortet.
Am Morgen hatte Opel-Gesamtbetriebsratsvorsitzender Klaus Franz nach einem langen Gespräch mit Henderson die Situation noch so dargestellt: Die Gründung einer Opel AG sei ein wichtiger Hinweis dafür, dass Opel wieder eigenständiger werden dürfte.
Von der Umfirmierung von einer GmbH zu einer AG wollte Henderson am Nachmittag nichts mehr wissen. Er sei zwar offen für die Idee, sie sei aber nicht zwangsläufig der Weg zum Erfolg. Ein neuer Deutschland-Chef sollte aber weitreichendere Kompetenzen erhalten. Klaus Franz verließ die Gesprächsrunde von Henderson zur Mitte, sichtlich unbefriedigt. Alles sieht nach zermürbenden Vorweihnachtswochen für alle Beteiligten aus, besonders die Beschäftigten bei Opel.
Neuer Opel-Chef soll mehr Kompentenzen haben
Bislang wurden die wichtigen Entscheidungen von der GM-Zentrale in Zürich getroffen. Opels offizieller Vorsitzender der Geschäftsleitung, Hans Demant, hatte nur wenig zu sagen. Nach Informationen der WAZ hat die Auflösung der schweizer Zentrale bereits begonnen.
Der neue starke Mann soll nach den Vorstellungen von Henderson ein deutschsprachiger Europäer sein. Auf Schwierigkeiten bei der Personalfindung deutet darauf hin, dass Henderson einen gestandenen Industriekapitän sucht, der nicht aus der Autobranche kommen muss und „Sinn für Abenteuer“ habe.
Der in Wales geborene David Nick Reilly, gerufen Nick, ist wie Henderson seit 25 Jahren bei GM und gehört zur alten Garde, die für den Niedergang des US-Konzerns und seiner europäischen Tochter verantwortlich ist. Reilly gilt als harter Sanierer, spricht kein Deutsch und bleibt verantwortlich für das GM-Auslandsgeschäft.
Opel-Geschäft soll offenbar nicht ausgedehnt werden
Henderson erteilte Plänen zum Verkauf von Opel-Modellen außerhalb Europas eine wenig verklausulierte Absage. Wichtig sei, Kunden in Europa zurückzugewinnen. Über das Schicksal einzelner Standorte wollte sich der GM-Boss nicht äußern. Der Plan, Antwerpen sofort, Eisenach vorübergehend und Bochum im Jahr 2011 zu schließen, sei aber so nicht mehr gültig.
Am Rande des WAZ-Wirtschaftsforums am Dienstagabend begrüßte NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers die Ankündigung von GM-Boss Fritz Henderson, Schließungspläne für deutsche Opel-Werke aus dem Frühjahr zurückzunehmen. "Wenn Herr Henderson sagt, die Pläne sind weg, ist das gut. Wir warten aber auf neue Pläne und wollen sehen, was darin steht." Rüttgers forderte die GM-Führung auf, "Klartext" zu sprechen und mitzuteilen, wieviel sie in die deutschen Werken investieren und welche Autos sie dort bauen wolle.
Auf die scharfen Worte von Bundeskanzlerin Angela Merkel ging der locker wirkende 50-jährige Henderson indes mit keiner Silbe ein. An die Bundesregierung wolle man erst herantreten und über staatliche Hilfen sprechen, wenn man intern mit allen Beteiligten gesprochen habe, und das kann dauern.
Henderson betonte aber noch einmal, dass nur der Sofortkredit von Bund und Ländern Opel im Frühjahr gerettet hätte. Jetzt würden die Sanierungskosten weiterhin bei drei Milliarden Euro liegen. Die von der bekannten US-Ratingagentur Moody’s ermittelten 5,7 Milliarden Euro seien aus der Luft gegriffen. „Ich habe keine Idee, wo die herkommen“ ist im US-Jargon die Umschreibung für „frei erfunden“.
Ob in der Summe bereits ein Sanierungsbeitrag der Arbeitnehmer durch Lohnverzicht steckt, ließ Henderson unbeantwortet. Indirekt bestätigte er noch einmal den geplanten Personalabbau von rund 10.000 der 50.000 Stellen bei Opel in Europa.
Rüttgers erwartet einen "ordentlichen Plan" für Opel und das Bochumer Werk in wenigen Tagen. Vor dem Treuhand-Ausschuss habe GM-Vizepräsident John Smith am Dienstag noch einmal wiederholt, dass es für Opel Bochum "interessante Lösungen" gebe. Rüttgers forderte beim WAZ-Wirtschaftsforum, dass der künftige Opel-Chef nicht aus Detroit kommen dürfe.
Streit um staatliche Opel-Hilfe
Während der Ministerpräsident den von der Bundesregierung gewährten Staatskredit für Opel verteidigte, sprach Michael Hüther, Leiter des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft, von einem "ordnungspolitischen Sündenfall". Hüther: "Der Staat ist überfordert, wenn er sich in unternehmerische Konzepte einmischt." Das habe die Bundesregierung getan, als sie sich für das Konsortium Magna/Sberbank als Opel-Käufer aussprach. Rüttgers wies den Vorwurf scharf zurück: "Wir wollten mit unserer Hilfe keine Unternehmenspolitik machen."
Rückendeckung für die Staatshilfe erhielt der Ministerpräsident vom Vorsitzenden der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE), Michael Vassiliadis. Er mahnte aber: "Die Politik muss sehr genau hinschauen. Die USA dürfen sich nicht einfach deutsches Geld und Opel-Technologie abgreifen." Der emiritierte Essener Weihbischof Franz Grave sprach sich ebenfalls für staatliche Opel-Hilfe aus. Er appellierte aber auch, beim Poker um Opel nicht die Belegschaft aus den Augen zu verlieren. Grave: "Die Menschen haben Ängste, die bis an ihre eigene Existenz gehen."
Magna und Sberbank fordern Schadensersatz
Unterdessen meldeten sich die geschassten Vertragspartner mit Forderungen an GM. Für Magna geht es nach Angaben des ORF um eine Forderung von 100 Millionen Euro. Siegfried Wolf, Vizechef und Verhandlungsführer des kanadisch-österreichischen Zulieferes, sagte im österreichischen Radio Ö1: Es war in der Tat eine große Summe, weil ja auch ein komplexes Thema zu lösen war."
Auch Magnas Partner, die Sberbank, will Schadensersatz:. "Wir verhandeln mit GM und hoffen, dass der Streit außergerichtlich beigelegt wird", sagte Sberbank-Chef German Gref. "Im Notfall werden wir unsere Position im Gericht verteidigen", zitierte ihn die Nachrichtenagentur Interfax. Ein Streit mit der staatlichen Sparkassengruppe und dem Putin-Vertrauten Gref könnte GM auf dem russischen Markt noch viel Ärger bereiten und Geld kosten.