Berlin. Lohndrücker spüren in Deutschland stärkeren Gegenwind. Jobcenter gehen immer öfter gerichtlich gegen solche Arbeitgeber vor. Im Osten Deutschlands verdient jeder fünfte Beschäftigte deutlich weniger als der in Berlin diskutierte Mindestlohn von 8,50 Euro.
Pizzaboten, Verkäufer, Bürohilfen oder Kellner arbeiten oft unter dem ortsüblichen Tarif. Stundenlöhne unter zwei Euro sind keine Seltenheit. Doch einige Jobcenter, vor allem im Osten, haben solchen Firmen den Kampf angesagt. Rückenwind erhalten sie durch die laufenden Koalitionsverhandlungen - Union und SPD haben sich nach zähem Ringen auf einen gesetzlichen Mindestlohn geeinigt.
Wenn das Geld nicht zum Leben reicht, zahlen die Jobcenter den sogenannten Aufstockern noch etwas hinzu - aus Steuermitteln. In Berlin ist dies laut Behördensprecher Olaf Möller in rund 100 000 Fällen so, in Brandenburg erhalten etwa 60 000 Menschen Unterstützung. Das wissen natürlich auch die Unternehmen.
Auffällig viele Gerichtsverhandlungen in Brandenburg
"Wo die Löhne auffällig niedrig sind, wird geprüft", berichtet Möller von der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg. Verhärte sich mit Blick auf Tarif und ortsübliche Bezahlung der Verdacht, dass der Lohn sittenwidrig niedrig ist, landen die Fälle vor den Arbeitsgerichten. Über die Zahl solcher Verfahren in Deutschlands kann die Bundesagentur für Arbeit aber keine Auskunft geben.
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"Wir haben keinen Überblick, wie viele Prozesse wegen sittenwidrig niedriger Löhne bei Aufstockern geführt werden", sagt die Behördensprecherin Ilona Mirtschin in Nürnberg. "Allerdings haben wir den Eindruck, dass es solche Verfahren im Osten häufiger gibt als im Westen."
Die Menschen im Osten seien wegen der teils schwierigen wirtschaftlichen Lage stärker sensibilisiert, wenn Unternehmen mit Steuergeldern subventioniert werden. Auffällig viele Gerichtsfälle gebe es aus ihrer Sicht in Brandenburg. "Ich habe das Gefühl, dass die Jobcenter in der Lausitz diese Dinge sehr hartnäckig verfolgen", meint auch Möller.
Pizza-Lieferdienst - für 1,59 Euro pro Stunde
So wird am Arbeitsgericht Senftenberg am Freitag (29.11.) ein Fall verhandelt, bei dem ein Anwalt seine beiden Bürokräfte, die Hartz-IV-Leistungen erhielten, mit einem Stundenlohn von etwa 1,70 Euro abgespeist haben soll. Erst im Oktober hatte dieses Gericht zwei Unternehmer aus Lübbenau zur Nachzahlung von 1560 Euro verurteilt, weil sie einen Verkäufer für einen Stundenlohn von 2,84 Euro beschäftigten. Doppelt so viel hätten sie dem Mann zahlen müssen, befand der Richter. Bereits im August hatte das Jobcenter Uckermark erfolgreich gegen einen Pizza-Lieferservice geklagt, der seinen Mitarbeitern pro Stunde 1,59 Euro, 1,65 Euro und 2,72 Euro zahlte.
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Um ihren Einsatz gegen Lohndumping zu bündeln, haben die Jobcenter in Berlin und Brandenburg eine Arbeitsgruppe geschaffen. Ziel ist ein statischer Überblick - und ein gemeinsames konzentriertes Vorgehen. "Wir wollen Anfang nächsten Jahres eine erste Bilanz ziehen", sagt Behördensprecher Möller.
6,52 Euro im Durchschnitt
Für Brandenburgs Arbeitsminister Günter Baaske (SPD) ist es richtig, dass immer mehr Jobcenter gegen sittenwidrige Löhne auch mit Klagen vorgehen wollen. "Menschen, die jeden Tag hart arbeiten, verdienen anständige Löhne. Wer so wenig zahlt, schadet nicht nur den Beschäftigten, sondern auch solchen Unternehmen, die fair bezahlen", erklärte Baaske. Jeder fünfte Vollzeitbeschäftigte in Brandenburg verdiene weniger als 8,50 Euro pro Stunde. Der Durchschnittslohn im Niedriglohnsektor liege in Ostdeutschland bei 6,52 Euro. Davon seien vor allem Frauen betroffen.
Wenn die neue Bundesregierung eine Lohnuntergrenze einführt, könnte Lohndumping eingedämmt werden. Denn Union und SPD haben sich nach zähem Ringen auf einen gesetzlichen Mindestlohn geeinigt. Offen sind noch die Höhe und der Starttermin des verbindlichen unteren Stundenentgelts. (dpa)