Essen. . Keiner schafft es wie die Lobbyisten der deutschen Pkw-Hersteller, die Politik auf ihre Seite zu ziehen. Aktuell kämpft Kanzlerin Angela Merkel gegen die Einführung schärferer Verbrauchsgrenzen in der EU. Bislang haben die Autobauer jedoch letztendlich alle Grenzwerte erfüllt, ohne Einbußen hinnehmen zu müssen.
Mit all ihrer Macht stemmt sich die deutsche Bundeskanzlerin in Brüssel gegen die beschlossene Verbrauchsabsenkung für Neuwagen. Innerhalb der EU sollen Autos ab 2020 im Schnitt vier Liter Benzin pro 100 Kilometer verbrauchen.
Angela Merkel betätigt sich als oberste Auto-Lobbyisten, die besonders von den deutschen Premium-Herstellern BMW und Daimler drohende Strafzahlungen abwenden will. Keine andere Branche hat einen solchen Einfluss auf die deutsche Politik wie die Autobauer – zu Unrecht, wie viele Kritiker finden.
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Die Anti-Haltung gegen Gesetzesverschärfungen hat Tradition bei den Autoherstellern und ihrem Verband, dem vom ehemaligen Merkel-Ministerkollegen im Kabinett Kohl, Matthias Wissmann, geleitetem VDA. 1984 kämpfte VDA-Geschäftsführer Achim Diekmann mit getürkten Angaben der Mehrkosten gegen bleifreies Benzin und Abgasentgiftung per Katalysator, danach wurde jede weitere Stufe der Abgasnorm aufs Korn genommen, ein weiteres Feindbild gab der Rußfilter ab (der damalige VW-Chef Bernd Pischetsrieder 2005: „das dämliche Filterchen“), seit zehn Jahren tobt der Streit um die Maximalverbrauchswerte in der EU.
Autobauer haben Anforderungen immer locker erfüllt
Die Auto-Lobby argumentiert dabei stets gleich mit dem Dreiklang „Zu hohe Kosten – drohender Absatzrückgang – Verlust von Arbeitsplätzen“. Passiert ist jedoch in den vergangenen Jahren genau das Gegenteil.
Die deutschen Autobauer haben alle Anforderungen immer locker erfüllt, ihre Technologieführerschaft hat den Premiumanspruch dadurch noch ausgebaut und die Zahl der Beschäftigten in Deutschland trotz aller Produktivitätsfortschritte mit 762.000 auf dem Niveau des Jahres 2000 gehalten. Die Zahl hat der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg Essen errechnet.
Man habe, heißt es beim VDA als einzige Rechtfertigung dazu, manchmal den technischen Fortschritt nicht richtig eingeschätzt.
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Dabei hat es die Autoindustrie in der Vergangenheit immer wieder geschafft, dem Staat Anreize zu entlocken, etwa die nur VW zu Gute gekommene Förderung des Drei-Liter-Autos und die fünf Milliarden Euro für das Auto-Konjunkturprogramm unter dem Namen Abwrackprämie, jetzt muss bei Elektro-Dienstwagen der Kostenanteil der Akkus nicht versteuert werden. Das Gesetz über die Einführung des entschärften Energielabels für Autos „vermittelte“ der VDA zwischen den Ministerien, berichtete „Zeit online“ erst am Sonntag.
"Leugnen, verschleppen, verwässern"
Diesmal möchte der VDA erreichen, dass das 95-Gramm-Ziel aufgeweicht wird, indem man 2020 nur 80 Prozent der Fahrzeuge anrechnet und den Rest erst später. Aber es regt sich breiter Widerstand, nicht nur von Lobbyisten der anderen Seite wie dem langjährigen Greenpeace-Autokritiker Wolfgang Lohbeck, der das Standardverfahren des VDA mit „Leugnen, verschleppen, verwässern“ beschreibt.
Selbst der europäische Zuliefererverband Clepa forderte jetzt die Beibehaltung strenger CO2-Ziele. „Die Berliner fallen immer wieder auf die Auto-Lobby rein“, sagt Dudenhöffer. Neuwagen seien zuletzt nicht wegen Vorschriften aus Brüssel teurer geworden.
Dass die BMW-Mitbesitzerin Susanne Kladden der CDU vor der Bundestagswahl 690.000 Euro gespendet hat, passt da für manchen ins Lobbyismus-Bild. Dass Merkels langjähriger Staatsminister Eckart von Klaeden ohne Schonfrist Cheflobbyist von Daimler werden wollte, auch. Doch Merkel ließ ihn vor der Wahl nicht ziehen. Man sieht sich sicher noch früh genug wieder.