Essen. . Sie tun oft Gutes, sind aber angesichts ihrer steuerlichen Vorteile umstritten. Jahr für Jahr entstehen neue Stiftungen, die das Land mehr und mehr prägen. Auch im Ruhrgebiet gibt es mächtige Stiftungen. Doch die Mehrheit der Menschen kann mit ihrer Arbeit nichts anfangen.
Sie tragen bekannte Namen wie Bosch, Bertelsmann, Krupp, Mercator oder RAG. Doch vielen Menschen bleibt ein Rätsel, was große Stiftungen in Deutschland tun. „Mit Ausnahme der Stiftung Warentest gibt es keine Stiftung, von der die Mehrheit der Bürger eine klare Vorstellung hat“, sagt Renate Köcher, Meinungsforscherin und Chefin des Allensbach-Instituts – und dabei ist Warentest gerade keine klassische Stiftung, die sich vor allem aus den Zinsen von gestiftetem Kapital finanziert.
Obwohl die Zahl der Stiftungen beständig steigt, verbinden laut einer aktuellen Allensbach-Studie 53 Prozent der Menschen im Land keine konkreten Vorstellungen mit Stiftungen. Und wer etwas weiß, ist meist nur über eine oder zwei Stiftungen informiert. Die Arbeit von Stiftungen bekannter zu machen, ist das Ziel eines bundesweiten Aktionstages am 1. Oktober.
Ganz unterschiedliche Akteure
Das Thema ist in der Tat komplex. Hinter dem Begriff Stiftung verbergen sich ganz unterschiedliche Akteure. So verfolgt beispielsweise die Essener Mercator-Stiftung „reformerische Ziele“ auf den Gebieten „Integration, Klimawandel und kulturelle Bildung“. Die benachbarte RAG-Stiftung hat die Aufgabe, Vermögen zur Finanzierung der Folgekosten des Steinkohlenbergbaus aufzubauen.
Im Jahr 2012 gab es in Deutschland rund 19 500 Stiftungen bürgerlichen Rechts – ein Anstieg um rund drei Prozent im Vergleich zu 2011. Allein das Deutsche Stiftungszentrum (DSZ) mit Sitz in Essen verwaltet etwa 600 kleinere und mittlere Stiftungen mit einem Vermögen von insgesamt 2,6 Milliarden Euro. Mehr als 100 Millionen Euro schütten diese Stiftungen jährlich aus.
Brost-Stiftung plant soziales und kulturelles Engagement
Vergleichsweise jung ist die 2011 gegründete Essener Brost-Stiftung, die im Sinne der verstorbenen WAZ-Verleger Anneliese und Erich Brost das soziale und kulturelle Engagement der Eheleute fortsetzen will. Ein besonderer Schwerpunkt soll auf der Jugend- und Altenhilfe liegen.
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Unter den Stiftern befinden sich viele Unternehmer und ihre Familien. Manche stecken zu Lebzeiten hohe Geldbeträge in Stiftungen. Andere verfügen testamentarisch, das eigene Vermögen nach ihrem Tod für gemeinnützige Zwecke einzusetzen. Ein Beispiel ist die Krupp-Stiftung, das Vermächtnis des letzten persönlichen Inhabers der Firma. Mit Alfried Krupps Tod am 30. Juli 1967 ging das Vermögen des Industriellen auf die Stiftung über, die das Geld unter anderem für Stiftungsprofessuren oder Stipendien und die Finanzierung der Essener Krupp-Krankenhäuser nutzt. Derzeit hält die Stiftung knapp über 25 Prozent am Dax-Konzern Thyssen-Krupp und ist damit wichtigster Großaktionär.
Stifter werden vom Staat steuerlich bevorzugt
Der Staat fördert gemeinnütziges Engagement, indem er Stifter steuerlich entlastet. „Es ist ein Geben und Nehmen“, sagt Markus Heuel, einer der Geschäftsführer des Deutschen Stiftungszentrum. Kritisiert wird zuweilen die mangelnde Transparenz von Stiftungen, von undurchsichtiger Wohltätigkeit und zu wenig demokratischer Legitimation ist die Rede. „Der Stifter will gestalten“, sagt Heuel dazu. „Aber der Staat steckt das Spielfeld ab, auf dem sich der Stifter bewegen kann.“
Deutschland ist eines der stiftungsreichsten Länder Europas. Im Schnitt kommen auf 100 000 Einwohner 24 Stiftungen. Die meisten Stiftungen in Deutschland gibt es zahlenmäßig in NRW. Dort sind derzeit 3780 Stiftungen bürgerlichen Rechts registriert. Alle Stiftungen verfügen Schätzungen zufolge zusammen über ein Vermögen von etwa 100 Milliarden Euro.
„Stiftungen werden in Deutschland immer bedeutender“
Unter den großen Stiftungen in NRW ist momentan die Essener Mercator-Stiftung besonders aktiv. Sie ist unterfüttert mit finanziellen Mitteln der Familie Schmidt, die zu den Großaktionären des Handelskonzerns Metro gehört. Allein im vergangenen Jahr lag das Fördervolumen bei rund 60,5 Millionen Euro, von dem gerade auch Wissenschaftler und Forschungseinrichtungen im Revier profitierten.
Die Zahl der Stiftungen steigt, aber nicht mehr so stark wie in der jüngsten Vergangenheit. Habe es im Jahr 2007 noch rund 1200 Gründungen gegeben, waren es im vergangenen Jahr lediglich 650, berichtet Markus Heuel. Die Finanzkrise habe viele Stiftungsinitiativen gehemmt. Gleichwohl: „Stiftungen werden in Deutschland immer bedeutender, von ihrer Zahl her, aber vor allem als Förderer von sozialen Anliegen, Wissenschaft, Bildung, Kultur und Umweltschutz“, urteilt Renate Köcher. „Sie fördern dort, wo die staatliche Unterstützung fehlt oder unzureichend ist.“