Berlin. . Die Opfer der Katastrophen in zwei Textilfabriken in Bangladesch müssen weiter auf eine langfristige Entschädigung warten. In Genf scheiterten Verhandlungen zwischen Marken- und Zulieferfirmen sowie Behörden- und Arbeitnehmervertretern. Die EU fordert eine stärkere Überwachung der Textilindustrie.

Internationale Textilkonzerne sind bereit, Entschädigungen für den Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch zu leisten. Die zur Debatte stehende Summe umfasse etwa 30 Millionen Euro, sagte Kirsten Clodius von der Kampagne für Saubere Kleidung (CCC). Das Geld solle an die Familien der getöteten und verletzten Beschäftigten ausgezahlt werden. „Zu konkreten Entschädigungszusagen konnten sich die Unternehmen aber noch nicht durchringen“, kritisierte Clodius.

Im April dieses Jahres war das illegal aufgestockte Gebäude mit acht Stockwerken in der Hauptstadt Dhaka zusammengebrochen. Über 1000 Beschäftigte starben, etwa 2500 wurden teilweise schwer verletzt. Viele können nicht mehr arbeiten. In dem Fabrikkomplex ließen nach Information der Kampagne für Saubere Kleidung auch KiK und weitere fünf deutsche Firmen produzieren. Die internationalen Auftraggeber seien unter anderem Benetton, Carrefour, Mango und Primark gewesen.

Allein Primark zahlt drei weitere Monatsgehälter

Von den insgesamt 29 internationalen Modeketten erschienen zu den Verhandlungen in Genf jedoch nur neun Unternehmen. Aus Deutschland kam allein KiK. Adler Modemärkte und NKD nahmen der Agentur epd zufolge nicht teil. Allein die irische Textilkette Primark hat sich nach CCC-Angaben dazu verpflichtet, allen betroffenen Familien drei weitere Monatsgehälter zu zahlen. „Wir hatten gehofft, viel mehr erreichen zu können“, sagte Ineke Zeldenrust, die die Kampagne vertritt.

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Die Gespräche zwischen den Firmen und den Gewerkschaften moderierte die Internationale Arbeitsorganisation ILO. Pro Opfer-Familie geht es um eine Entschädigung von etwa 3600 Euro – insgesamt 60 Millionen Euro, von denen die Unternehmen knapp die Hälfte leisten sollen.

KiK setzt auf „breite Allianz aller Verantwortlichen“

In den kommenden zwei Wochen will man die Verhandlungen fortsetzen, um auch noch einige der abwesenden Firmen an den Tisch zu holen. „Wir würden eine breite Allianz aller Verantwortlichen bevorzugen, die in einer gemeinsamen Initiative aktiv werden“, sagte KiK-Sprecherin Beatrice Volkenandt. Der Textil-Discounter gehört zur Mülheimer Unternehmensgruppe Tengelmann.

Sie wies jedoch darauf hin, dass „alle anwesenden Unternehmen ihre Bereitschaft signalisiert haben, zu einem gemeinsamen Hilfsfonds beizutragen“. Kampagnen-Aktivistin Clodius kritisierte dagegen: „Dass sich die Unternehmen über solch kleine Summen streiten, ist skandalös. Sie ignorieren das Leid der Menschen.“

Vertagt wurde auch der Fall der Tazreen-Textilfabrik, in der im vergangenen November 110 Menschen gestorben waren. Laut „IndustriALL“ ist für die Opfer eine Entschädigungssumme von rund 4,5 Millionen Euro nötig. Die Firmen sollten etwa 40 Prozent der Summen übernehmen, hieß es. Viele Verletzte hätten lebenslange Behinderungen davongetragen.

EU fordert stärkere Überwachung der Textilindustrie

Währenddessen hat EU-Handelskommissar Karel de Gucht von der Regierung in Bangladesch eine stärkere Überwachung der Textilindustrie gefordert. „Die Textilfabriken müssen mittelfristig internationale Sicherheitsstandards einhalten“, sagte er „Zeit Online“. Komme das Land dem nicht nach, werde die EU bestehende Abkommen kündigen, drohte der EU-Kommissar. Das Land müsste dann höhere EU-Einfuhrzölle auf exportierte Waren zahlen.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sprach sich gestern für die Einführung eines Siegels aus, das Mindeststandards für Textilien garantiere. „Dann können Verbraucher sagen ,Kaufe ich oder nicht’“, erklärte Künast.