Essen. . Bei der zuständigen Behörde stapeln sich die Anträge von Betrieben, die auf einen niedrigeren Strompreis durch verringerte Netzentgelte hoffen. Allein im vergangenen Jahr wurden fast 1000 Anträge genehmigt. Zu den Nutznießern zählen Unternehmen wie Aldi, Burger King oder Golfplatz-Betreiber.

Karsten Krüger, der Chef von Karlchen’s Backstube, kann die Aufregung nicht ganz nachvollziehen. „Wir machen ja nichts Unrechtmäßiges“, sagt er. „Und wir sind sicherlich nicht die einzige Bäckerei in Deutschland, die teilweise von den Netzentgelten befreit wird.“ Warum also ausgerechnet bundesweit über seinen Betrieb diskutiert wird, bleibt Firmenchef Krüger ein Rätsel.

Jedenfalls hat sich Wirtschaftsstaatssekretär Stefan Kapferer ganz offiziell mit dem Familienbetrieb aus Löhne in Ostwestfalen befasst. Kapferer blieb praktisch nichts anderes übrig, denn auf dem Tisch des Staatssekretärs lag eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Bärbel Höhn in Sachen Karlchen’s Backstube. Höhn wollte wissen, ob auch der Bäckerei-Betrieb zum Teil von den Netzentgelten befreit ist, also praktisch eine Art Strompreis-Rabatt erhält. Tatsächlich gehört Karlchen’s Backstube zu den Nutznießern der Regelung – ebenso wie Konzerne mit großen Namen: Aldi, Burger King, C&A oder H&M zum Beispiel.

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Zuständig für die Fälle ist zunächst einmal die Bundesnetzagentur. Bei der Behörde in Bonn stapeln sich die Anträge von Betrieben, die auf niedrigere Strompreise hoffen. Allein im Jahr 2012 seien knapp 1000 Anträge genehmigt worden, mehr als 2000 Fälle seien noch offen, teilte die Behörde mit. Schon im Jahr zuvor hatte die Netzagentur rund 1000 genehmigte Anträge verzeichnet. Im Grundsatz erfolge die Netzentgelt-Befreiung unbefristet, nur in Ausnahmen gebe es eine Befristung. Und so wird die Liste mit den Namen der privilegierten Unternehmen länger.

Wie aus den Schreiben der Bundesregierung hervorgeht, hat die Netzagentur „individuelle Netzentgelte“ unter anderem für 30 Standorte des Stromkonzerns RWE genehmigt – ebenso für 35 Standorte von Aldi, 15 Standorte von C&A und elf Standorte von H&M. Auch das Mövenpick Hotel Essen wird erwähnt.

Auch die Sparkasse Essen taucht in den Unterlagen der Netzagentur auf

Auf einen positiven Bescheid der Bundesnetzagentur können Firmen hoffen, die ihren Strom hauptsächlich nachts, am frühen Morgen oder in den Abendstunden beziehen. So soll eine Stabilisierung des Stromnetzes belohnt werden. Das Netzentgelt ist ebenso ein Bestandteil des Strompreises wie die Ökostrom-Umlage des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG).

Auch die Sparkasse Essen taucht in den Unterlagen der Netzagentur auf. Hintergrund: Die Sparkasse ist Vermieter der Theaterpassage in Essen mit Restaurants, Büros und Geschäften. Auch für diese Betriebe gibt es praktisch einen Strompreis-Rabatt. „Wir möchten die Kosten für unsere Mieter so niedrig wie möglich halten“, betont Sparkassen-Sprecher Volker Schleede.

In der Vergangenheit wurde viel über angebliche Begünstigungen für Golfplatz-Betreiber diskutiert, oft fälschlicherweise im Zusammenhang mit der EEG-Umlage. Wenn es um die Netzentgelte geht, zählen Golfclubs tatsächlich zum Kreis der Nutznießer. Das Wirtschaftsministerium nennt die Golf- und Countryclubs Baden und Seddiner See (Brandenburg).

„Die Zeche zahlen private Haushalte“

In diesem Jahr müssen private Haushalte und andere Unternehmen insgesamt rund 805 Millionen Euro für die (teil-) befreiten Unternehmen bezahlen. 2012 waren es noch 440 Millionen Euro.

Der Unterhalt und Ausbau der Stromleitungen kostet viel Geld – gerade im Zuge der Energiewende. „Weil jetzt die Kosten für das Netz auf weniger Schultern verteilt werden müssen, wird es teurer“, kritisiert Bärbel Höhn. „Und hier gibt es auch wieder Ausnahmeregelungen für Firmen, sodass insbesondere private Haushalte die Zeche zahlen müssen.“

Karsten Krüger, der Chef von Karlchen’s Backstube, sieht die Sache allerdings anders. „Die Energiekosten sind massiv gestiegen in den vergangenen Jahren“, gibt er zu bedenken. „Da ist diese Entlastung nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“