Dorsten. .

Wer da meint, Draht sei nicht mehr ein biegsames Stück Metall, ist noch nicht mit Rüdiger Tüshaus durch seinen Betrieb, die Dorstener Drahtwerke gegangen. Eine Stunde später weiß der Besucher: Allein die Zahl der Produkte, die das fast hundertjährige Traditionsunternehmen aus 7000 Tonnen Stahldraht pro Jahr in den Betrieben an der Marler Straße und im Industriepark Dorsten/Marl herstellt, würden die Zeilen dieses Textes mühelos füllen. Die Spanne reicht vom einfachen Schweißgitter bis zu Spezialgeweben aus feinsten Metallfäden für Hightech-Anwendungen in der Medizin- und Verfahrenstechnik.

„Drahtverarbeitung ist Materialumformung mittels Energie“, beschriebt Betriebsleiter Ludger Averkamp das Verfahren vom Vor- zum Endprodukt. Damit benennt er gleichzeitig das Problem, das seinem Chef auf den Nägeln brennt. „Die Rahmenbedingungen waren zehn Jahre lang gut, im Moment geht’s in die andere Richtung“, sagt Tüshaus und meint die Engergiepreise. Der Delegation von CDU-Politikern aus Bund, Land und Kreis, auf Besuchstour bei Mittelständlern in der Region macht er die Rechnung für den Dorstener Betrieb auf: 660 000 Euro pro Jahr allein für Strom, 230 000 € kommen obendrauf für die Umlage aus dem Gesetz für Erneuerbare Energien (EEG-Umlage). „Das geht einfach nicht“, sagt der Unternehmer.

Befreiung ist nicht möglich

Die Energiewende bringt den Drahtproduzenten in die EnergiePreisklemme. Die Verformung des Metalls braucht viel Strom, anschließend müssen die Drahtrollen stundenlang in riesigen gasbetriebenen Öfen geglüht werden, um die erforderliche Festigkeit zu erreichen.

Eigentlich, sagt Tüshaus, „hatten wir super Verträge für den Strom“. Bis das EEG kam. Jetzt befürchtet er weitere Steigerungen. „Nur ein Prozent mehr bedeuten 60 000 Euro für uns.“ Eine Befreiung von der EEG-Umlage, von der energieintensive Betriebe profitieren können, „kriegen wir für uns nicht hin“, bedauert er. Der Strompreis drückt vor allem die deutschen Standorte der Drahtwerke. Neben Dorsten produzieren sie noch in Altena, Dortmund und Remscheid. Dort ist die Assonic Mechatronics eine kleine Firma für Spezialsiebe seit März die jüngste Tochter der Drahtwerke-Gruppe, die mittlerweile 120 ihrer insgesamt rund 300 Mitarbeiter an den internationalen Standorten beschäftigt. Dazu gehört etwa eine Fertigung von Filtersieben für die Öl- und Gasförderung der US-Tochter Wire Tech in Texas. Die größte Standort im EU-Ausland steht in Tschechien, dort lässt Tüshaus schon seit 25 Jahren Drahtgewebe fertigen. Neben Vertriebsgesellschaften in acht weiteren Ländern besteht seit 12 Jahren ein Joint-Venture zu einem chinesischen Unternehmen, das produziert für die Dorstener, die im Gegenzug die chinesischen Produkte in Europa vermarkten.