Essen. . Für den Energieriesen Eon könnte ein Scheitern beim Bau des umstrittenen Steinkohlekraftwerks in Datteln teuer werden. „Wir haben schon mehr als eine Milliarde Euro in das Projekt gesteckt“, sagt Eon-Deutschlandchef Ingo Luge. Eon hofft nun auf Hilfe der Politik bei der Genehmigung der neuen Bebauungspläne.
Das milliardenschwere Steinkohlekraftwerk Datteln 4 von Deutschlands größtem Energiekonzern Eon könnte zu einer gigantischen Investitionsruine werden. Die Bauarbeiten in Datteln ruhen seit Jahren. Umweltschützer haben das Projekt vor Gericht gestoppt. Eon hofft nun auf Hilfe der Politik.
Am Freitag (5. Juli) befasst sich zunächst der zuständige Regionalverband Ruhr (RVR) mit dem Vorhaben. Später liegt der Fall auch in der NRW-Staatskanzlei bei Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zur Entscheidung. Die Stadt Datteln arbeitet derweil an einem neuen Bebauungsplan. Am Ende muss die Bezirksregierung Münster eine Betriebsgenehmigung erteilen. All das dürfte noch Monate dauern. Das Kalkül des Konzerns: Diesmal soll das Projekt nicht vor Gericht angreifbar sein. Denn natürlich sind neue Klagen möglich.
Wann das neue Kohlekraftwerk in Datteln ans Netz gehe, lasse sich „heute noch nicht abschließend sagen“, räumt Eon-Deutschlandchef Ingo Luge im Interview ein. Luge wirbt eindringlich für das milliardenschwere Kraftwerksprojekt, das derzeit auf Eis liegt.
Herr Luge, Neubauvorhaben für Kohle- und Gas-Großkraftwerke in Europa hat Eon bis auf Weiteres zu den Akten gelegt. Warum wollen Sie dann unbedingt das neue Steinkohlekraftwerk in Datteln ans Netz bringen?
Ingo Luge: Etwa 80 Prozent des Kraftwerks sind bereits gebaut. Wir haben schon mehr als eine Milliarde Euro in das Projekt gesteckt. Datteln 4 ist in vielerlei Hinsicht ein sinnvolles Vorhaben. Es ist das modernste und effizienteste Steinkohlekraftwerk Europas. Das bereits lange vor der Energiewende geplante Kraftwerk, leistet einen wichtigen Beitrag zum Umbau der Strom- und Wärmeerzeugung in NRW.
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Ausgerechnet ein Steinkohlekraftwerk soll die Energiewende voranbringen?
Luge: Insbesondere hier im Ruhrgebiet wird Datteln 4 sehr alte Anlagen ersetzen. So verbessert es die Klimabilanz in NRW, denn jede in Datteln 4 produzierte Kilowattstunde spart 20 Prozent CO2 gegenüber alten Kraftwerken. Und weil die neue Technik schneller als ältere Anlagen herauf- und heruntergefahren werden kann, ist das Kraftwerk in der Lage, Netzschwankungen hervorragend auszugleichen und an windstillen und sonnenarmen Tagen einzuspringen. Hinzu kommt: Nirgendwo sonst in Deutschland kann ähnlich viel Bahnstrom produziert werden wie im Kraftwerk Datteln 4. Darüber hinaus kann das Kraftwerk rund 100.000 Haushalte mit Fernwärme versorgen.
Wann geht Datteln 4 ans Netz?
Luge: Das lässt sich heute noch nicht abschließend sagen. Wir sind jedenfalls optimistisch, Schritt für Schritt bei den Plan- und Genehmigungsverfahren voranzukommen. Bis wir endgültig grünes Licht der Behörden haben, werden allerdings noch einige Monate ins Land gehen. Mit einem erfolgreichen Abschluss des neuen Regionalplans rechnen wir noch in diesem Jahr.
Welche Lehren ziehen Sie aus dem Fall Datteln?
Luge: Ein Projekt wie Datteln 4 wird es in Zukunft aller Voraussicht nach nicht mehr in Deutschland geben. Schon aufgrund der Größe des Projekts dürfte jedes Unternehmen das Investitionsrisiko scheuen. Ein Kraftwerksbau dieser Dimension benötigt von der Planung bis zur Realisierung mehrere Jahre. Wir erleben derzeit aber, wie enorm die Veränderungsgeschwindigkeit im Land ist. Das Kraftwerk ist noch nicht in Betrieb, da ist die Welt wieder eine andere. Planungs- und Investitionssicherheit sehen anders aus.
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Eon sucht sein Heil im Ausland und expandiert im großen Stil in Brasilien, in Russland und in der Türkei. Das heimische Geschäft verliert innerhalb des Konzerns an Gewicht. Wie sehr schmerzt das den Deutschland-Chef?
Luge: Wir gehen als Konzern in die Regionen, in denen es Wachstum gibt. In Deutschland geht es derzeit weniger um Wachstum sondern vielmehr um Themen wie Effizienz und eine intelligente Energieversorgung. Darauf stellen wir uns ein und reagieren entsprechend. Es gibt keinen Widerspruch zwischen Auslands- und Inlandsgeschäft. Es geht nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch.
In Deutschland brechen Eon die Gewinne weg. Trotzdem steigen die Strompreise. Gehört Eon zu den Verlierern der Energiewende?
Luge: Die Situation für Eon ist sicherlich nicht einfacher geworden, das gilt im Übrigen für fast alle großen europäischen Energieversorger. Wir spüren eine niedrigere Nachfrage als Auswirkung der Wirtschaftskrise in Europa. Gleichzeitig fallen bei den Verbrauchern in Deutschland die Kosten für den Umbau der Energieversorgung an - Preissteigerungen, die aus Bestandteilen resultieren, die Eon weiterreicht, aber von denen Eon nicht profitiert. Als Folge der Energiewende haben wir außerdem eine schwierige Lage im europäischen Stromerzeugungsgeschäft. Kohle- und Gaskraftwerke, die bislang auch Eon geprägt haben, werden von den erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne verdrängt.
Hat Eon zu lange auf die falschen Anlagen gesetzt?
Luge: Wir investieren doch schon seit Jahren in die Erneuerbaren und haben zum Beispiel das Geschäft mit Windkraft massiv ausgebaut. Der Bau nagelneuer Gaskraftwerke wurde öffentlich gefordert und wir haben im Glauben an den Energiemarkt stark in diese klimafreundliche Technologie investiert. Paradoxerweise werden unsere hochflexiblen, sauberen Gaskraftwerke heute nicht nur von Wind- und Solarenergie vom Markt gedrängt, sondern vor allem von Braunkohlekraftwerken. Denn wenn die Preise für Kohlendioxid praktisch keine Rolle spielen, setzen sich die Kraftwerke mit den niedrigsten Rohstoffkosten durch.
Viele Verbraucher klagen schon jetzt über steigende Strompreise. Kommt im Herbst ein weiterer Preisanstieg?
Luge: Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Umlage zur Förderung von Ökostrom schon in absehbarer Zeit höher ausfallen wird als bisher. Hinzu dürften steigende Netzentgelte kommen. Wenn die Politik nicht handelt, ist davon auszugehen, dass die Preise weiter steigen werden.