Berlin. . Bundeskanzlerin Merkel und US-Präsident Obama wollen das Projekt eines gemeinsamen Marktes bei ihrem Treffen vorantreiben. Brüssel verspricht 545 Euro Ersparnis für jeden Haushalt durch Wegfall der Zölle. Verbraucherschützer sind skeptisch
Der Weg zur weltgrößten Freihandelszone ist frei: Die EU-Staaten haben sich auf eine gemeinsame Basis für die Verhandlungen mit den USA geeinigt. Dafür wurde den bis zuletzt kritischem Franzosen versprochen, die Kulturindustrie außen vor zu lassen. Paris hatte Nachteile für Film, Musik und Medien befürchtet, wenn in einer Freihandelszone Subventionen wegfallen.
Das Ziel: mehr Wohlstand und Arbeitsplätze für 800 Millionen Menschen beiderseits des Atlantiks. Die erste Gesprächsrunde startet nach den Worten von US-Präsident Barack Obama bereits am 8. Juli in Washington.
Obama, EU-Kommissionschef José Manuel Barroso und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy gaben am Montag im nordirischen Enniskillen vor dem G8-Gipfel den Startschuss für das beispiellose Projekt. Beide Handelsblöcke stehen in scharfem Wettbewerb mit aufstrebenden Nationen wie China, Indien und Brasilien.
Voller Zuversicht über einen erfolgreichen Abschluss zeigte sich Obama. "Wir schaffen neue Arbeitsplätze und neues Wachstum auf beiden Seiten des Atlantiks", sagte er. "Wir handeln jedes Jahr mit ungefähr einer Billion US-Dollar in Waren und Dienstleistungen. Und wir investieren fast vier Billionen Dollar in die jeweils andere Volkswirtschaft."
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will mit dem US-Präsidenten bei seinem Besuch in dieser Woche in Berlin die Planungen für die transatlantische Freihandelszone forcieren. Durch den Wegfall von Zöllen und anderen Handelsschranken erhoffen sich die Politiker beider Seiten große Vorteile für ihre Märkte und Verbraucher. Die EU beziffert die zu erwartende Ersparnis für jeden Haushalt auf 545 Euro im Jahr, wenn die Schranken fallen.
Aigner warnt vor Gentechnik in Lebensmitteln
Doch wenn die EU-Kommission mit Drittländern Abkommen aushandelt, bleiben Verbraucherschützer, Umweltverbände und selbst das Europäische Parlament häufig außen vor. Das befürchtet offenbar selbst Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU).
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„Voraussetzung für Akzeptanz und Unterstützung der Öffentlichkeit ist größtmögliche Transparenz“, heißt es in einem Positionspapier ihrer Fachleute. Die Warnung hat gute Gründe. Denn der Verbraucherschutz könnte an wichtigen Stellen den Interessen der Wirtschaft geopfert werden.
Die größten Probleme sehen die Fachleute bei den Nahrungsmitteln. US-Vertreter hätten deutlich gemacht, dass Erleichterungen bei der Zulassung gentechnisch veränderter Sorten wesentlicher Bestandteil des Abkommens sein sollen. Im Gespräch ist etwa die Einführung eines Schwellenwertes, bis zu dem auch nicht zugelassene Genpflanzen in Lebensmitteln enthalten sein dürfen. „0,0 muss 0,0 bleiben“, weist das Verbraucherministerium dieses Ansinnen zurück. Denn die Verbraucher würden Gentechnik in Lebensmitteln mit großer Mehrheit ablehnen.
Viele Streitpunkte bleiben
Ein zweiter Streitpunkt sind Lebensmittel aus den Nachfahren geklonter Tiere. Deren Zahl nimmt in den USA ständig zu. Bisher dürfen geklonte Rinder oder Schweine in der EU nicht verkauft werden. Dabei macht Aigner neben etwaigen gesundheitlichen Risiken auch ethische Bedenken geltend. Eine Kennzeichnung dieser Angebote lehnt die US-Seite aus Angst vor der abschreckenden Wirkung auf Kunden ab.
Drittens sieht das Verbraucherministerium Probleme mit dem in den USA verbreiteten Einsatz von wachstumsfördernden Hormonen und Antibiotika in der Tiermast. Schließlich sorgt sich Aigner um das EU-Verbot so genannter „Chlorhühnchen“. In den Staaten dürfen Lebensmittel mit Chlorverbindungen behandelt werden, um sie von Keimen zu befreien, in Europa nicht.