Berlin. . Nach dem Fabrikeinsturz in Bangladesch mit mehr als 1000 Toten sollen die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden. Noch wichtiger ist allerdings die Frage, wie solche Katastrophen in Zukunft vermieden werden. Zwei Wege stehen zur Diskussion.
Mehr als 1000 Tote, noch immer viele Vermisste, so lautet die vorläufige Schreckensbilanz des Einsturzes einer Textilfabrik in Bangladesch, in der auch Kleidung für Deutschland genäht wurde. Das täglich wachsende Ausmaß der Katastrophe lässt die Frage nach der Verantwortung westlicher Textilkonzerne lauter werden.
In Bangladesch wurden neun Menschen festgenommen, gegen den Hausbesitzer wird wegen Mordes ermittelt. Die EU drohte dem Billiglohnland mit Strafmaßnahmen, sollten die Sicherheitsstandards nicht verbessert werden.
Hunderte Textilfabriken geschlossen
Der Verband der Textilhersteller und -exporteure von Bangladesch reagierte am Montag: Rund 500 Fabriken im Industriekomplex Ashulia sind ab Dienstag geschlossen – für immer. Grund dafür sind nach Verbandsangaben die Proteste: Laut Polizei hatten am Montag die Arbeiter von rund vier Fünftel der Fabriken ihren Arbeitsplatz verlassen.
Zur Diskussion steht auch die Verantwortung der Auftraggeber, etwa des Textil-Discounters KiK. Das Unternehmen hat eingeräumt, in dem eingestürzten Gebäude seien bis Jahresanfang auch Produkte für KiK gefertigt worden.
Immer wieder kommt es zu Unfällen und sozialen Missständen in der Zulieferkette deutscher Unternehmen. So starben im vergangenen Jahr mehrere hundert Arbeiterinnen und Arbeiter beim Brand einer Textilfabrik in Pakistan, die ebenfalls für KiK nähte. Die kurzfristige Empörung ist jedes Mal groß. Aber wie lässt sich so etwas grundsätzlich verhindern?
Pflicht zur Haftpflicht?
Christian Lahnstein vom Rückversicherer Munic Re beobachtet seit Jahren die weltweiten Entwicklungen des Haftungs- und Versicherungsrechtes. Er regt an: „Firmen wie KiK sollten von ihren Zulieferfirmen einen Nachweis verlangen, dass diese eine lokale Betriebshaftpflichtversicherung in ausreichender Höhe abgeschlossen haben.“
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Heute ist dies kaum der Fall. Zwei Varianten bieten sich an: Entweder verlangen Unternehmen wie KiK freiwillig, dass ihre Zulieferer Versicherungsverträge unterschreiben. Oder der Bundestag beschließt eine Gesetzesänderung, die dies erzwingt. Überlebende und Angehörige der Opfer in Bangladesch wären dann eher in der Lage, Entschädigungen zu erstreiten.
Ist das nur der durchsichtige Vorschlag eines Versicherungsunternehmens, das mit derartigen Risiken Geld verdient? Lahnstein argumentiert: Wenn obligatorische Betriebshaftpflichtversicherungen existierten, würden die lokalen Versicherungsunternehmen eher darauf achten, dass Fabriken die Sicherheits- und Arbeitsschutzregeln einhalten. Schließlich wollen sie finanzielle Belastungen aus Schadensfällen möglichst klein halten. Die Hoffnung: Dass Fabrikbesitzer marode Gebäude illegal aufstocken oder Notausgänge unpassierbar machen, käme so seltener vor.
Klagemöglichkeit in Deutschland
Juristin Miriam Saage-Maaß von der Menschenrechtsorganisation ECCHR sieht dagegen die Politik in der Pflicht. Sie fordert, das deutsche Parlament und die Regierung sollten die Unternehmen zu mehr Sorgfalt verpflichten. „Die Sorgfaltspflicht des ordentlichen Kaufmanns ist bereits Bestandteil deutschen Rechts“, sagt Saage-Maaß.
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Sie schlägt nun vor, diese Pflichten für Firmen zu erweitern. Als Bezugspunkt bieten sich unter anderem die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) an, sagt die Juristin. Diese sehen Existenz sichernde Löhne und Mindeststandards beim Arbeitsschutz vor. Ebenso das Recht der Beschäftigten, sich in unabhängigen Gewerkschaften zu organisieren. In vielen Ländern dieser Welt stehen diese Grundsätze bislang aber nur auf dem Papier.
Das könnte sich ändern, wenn deutsche Unternehmen zu größerer Sorgfalt verpflichtet wären. Die Arbeiter der Zulieferfabriken bekämen die Möglichkeit, ihre Rechte vor deutschen Gerichten einzuklagen. Das würde auch für die Betriebshaftpflicht und die entsprechenden Entschädigungen gelten.