Islamabad. . Das Wunder von Dhaka, Bangladesch, hat einen Namen. Es heißt Reshma Begum. Die junge Frau überlebte 17 Tage unter den Trümmern einer eingestürzten Textilfabrik. Als sie ihren Bruder im Krankenhaus traf, wurden beide von Emotionen überwältigt.

Erst wurden die Stimmen der anderen Verschütteten immer schwächer, mit denen Reshma Begum sich zunächst verständigen konnte. Nach ein paar Tagen verstummten sie. Die 19-jährige junge Frau blieb einsam und alleine unter dem Berg von Trümmern zurück, der nach dem Einsturz des achtstöckigen Textilfabrikgebäude Rana Plaza in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka am 24. April in einem kleinen, etwa drei Quadratmeter großen Hohlraum begraben hatte.

Dann gingen nach 15 Tagen Überlebenskampf alle Essensreste zu Ende, die Reschma in der ewigen Dunkelheit unter dem Trümmerberg gefunden hatte. Just an dem Tag, an dem sie schwachen Geräusche von den Räumungsarbeiten hörte. „Ich schrie, ich klopfte gegen die Steine. Aber niemand hörte mich“, erzählte die 19-jährige Frau gegenüber lokalen Medien nach ihrer Rettung, in denen sich Hoffnung mit Hoffnungslosigkeit paarte.

"Rette mich, mein Bruder!"

Wie eine Erlösung muss der Textilarbeiterin das Gesicht des Soldaten vorgekommen sein, der schließlich durch ein schmales Loch ihr verstaubtes Gesicht blickte. „Bhai amake banchan“, hauchte sie durch den Schutt, „rette mich, mein Bruder!“ 40 Minuten, nachdem der Soldat Abdur Razzaque zufällig die wackelnde Gardinenstange bemerkt hatte, Reshma durch ein Loch nach oben geschoben hatte, wurde die junge Arbeiterin in ihrem lilafarbenen Kleid samt Schal nahezu unversehrt aus dem Schutt gezogen - 17 Tage, nachdem sie verschüttet worden war und rund zwei Wochen, nachdem die letzte entdeckte Überlebende Shaheena Akhter in einem Feuer starb, das Retter versehentlich entzündet hatten.

„Ich habe nicht geglaubt, dass ich noch einmal das Tageslicht sehen würde“, sagte Reshma, als Retter sie auf eine Trage legten, „es ist so schön, die Sonne zu spüren.“ Jetzt liegt die junge Textilarbeiterin, die erst Anfang April ihren neuen Job in einer der bei dem Gebäudekollaps zerstörten Textilfabriken angetreten hatte, in einem rot- weiß gestreiften Nachthemd in den weißen Kissen eines Betts im Militärkrankenhaus von Dhaka. Sie wirkt etwas verloren, während von Premierminsiterin Sheikh Hasina bis zu lokalen Journalisten ein Besucher nach dem anderen vorbeischaut.

"Meine Mutter ist ohnmächtig geworden"

Als kurz nach der schier unglaublichen Rettung Reshmas 33- jähriger Bruder Zahidul Islam erstmals zu seiner Schwester darf, verlieren beide die Fassung. Tränenüberströmt fallen die beiden sich um den Hals. „Meine Mutter ist ohmächtig geworden“, erzählt der Mann, der sich in dem mehr als 400 Kilometer entfernten Heimatdorf Koshi Gari nahe der Grenze zum Nachbarland Indien mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält, „als sie die Nachricht hörte.“

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Wie könnte es auch anders sein. Schließlich schien Reshma auf immer verloren, nachdem sie gewagt hatte, groß zu träumen. Im Alter von 16 Jahren war sie verheiratet worden. Der Ehemann trank und verprügelte die junge Frau. Nach der Scheidung beschloss Reshma gemeinsam mit einer Schwester wie Millionen von anderen Frauen nach Dhaka zu gehen und sich dort bei einer der rund 5000 für westliche Konzerne produzierenden Textilfabriken für den Hungerlohn zu verdingen, der üblicherweise gezahlt wird.

Das Gebäude war eigentlich gesperrt - wegen Einsturzgefahr

Etwa 50 bis 60 US- Dollar statt der üblichen 38 US-Dollar verdiente Reshma bei ihrem Job in der zweiten Etage von Rana Plaza dank der Überstunden. Einen Teil des Geldes schickten die beiden regelmäßig ins Heimatdorf, um die Familie zu unterstützen.

Dann kam die Katastrophe. Reshma gehorchte den Besitzern, die sie an die Arbeit schickten, obwohl das Gebäude wegen Einsturzgefahr geschlossen worden war. Wie Tausende von anderen Bangladeschis eilten ihre Verwandten nach dem Kollaps des Gebäudes, das laut dem Besitzer Sohel Rana trotz breiter Risse in den Wänden „Jahrhunderte überdauern“ würde, aus dem Heimatdorf nach Dhaka. Zuerst trieb sie die Hoffnung, Reshma unter den Überlebenden zu finden. Nach vier Tagen schlug die Familie ein Lager neben den Massengräben inmitten des schäbigen Textilfabrikviertels Savar auf, in dem die Behörden Massengräber für mittlerweile fast 1100 Todesopfer ausgehoben hatten.

Gerettete kann nachts kaum schlafen

Es waren schaurige Tage. Bei der Ankunft jeden neues Opfers drängten sich die Verwandten um die Toten, um sie zu identifizieren. „Wir wollten Reshma ordentlich begraben. Wir hofften auf ein paar Knochen, auf einen Ausweis, auf irgendetwas“, erzählte der Bruder am Wochenende der lokalen Tageszeitung „Daily Star“. Stattdessen konnten sie plötzlich die lebende junge Frau wieder in den Armen halten.

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Reshma, so teilte das Krankenhaus am Sonntag mit, geht es gut. Bald wohl wird sie andere Überlebende im Hospital besuchen können - Kolleginnen, die Arme oder Beine verloren. Die junge Frau, deren Träume von einem besseren Leben um ein Haar von der Profitsucht der Fabrikbesitzer beendet worden wären, kämpft lediglich mit einem Problem. Sie kann nach 17 Tagen in der Dunkelheit nur schlafen, wenn eine Krankenschwester ihre Hand hält.