Bochum. . Im Bochumer Opel-Werk plädieren inzwischen auch Betriebsratsmitglieder für eine neue Abstimmung über den Sanierungstarifvertrag. Viele Mitarbeiter fühlten sich vor der letzten Abstimmung nicht richtig informiert. Widerspruch regt sich auch gegen den Betriebsratsvorsitzenden Rainer Einenkel.

Unter den Opelanern im Werk Bochum wächst der Wille, in einer erneuten Abstimmung den am 21. März von der Belegschaft mit Dreiviertel-Mehrheit abgelehnten Sanierungstarifvertrag anzunehmen. Inzwischen haben auch Mitglieder des 31-köpfigen Betriebsrats, die aus Angst vor Repressalien anonym bleiben möchten, im Gespräch mit der WAZ Mediengruppe ein neue Befragung der Belegschaft durch die IG Metall gefordert.

Der Betriebsratschef Rainer Einenkel hat sich bereits am Sonntag auf der Internetseite seiner Betriebsratsliste „Wir -gemeinsam.eu“ nicht grundsätzlich gegen eine weitere Abstimmung ausgesprochen. Dies sei Sache der Gewerkschaft. Knut Giesler, Chef der IG Metall in NRW, sagte nun: „Sollten sich die Stimmen mehren, werden wir natürlich prüfen, ob und wie Lösungen in der jetzigen Situation noch zu erreichen sind.“

Mitarbeiter möchten alle Details des Tarifvertrages erfahren

Grundlage müsste eine umfassende Information der Mitarbeiter über alle Details des Tarifvertrags sein, forderten Betriebsratsmitglieder im Gespräch mit der WAZ Mediengruppe. Die Menschen hätten am 21. März beim Wahlgang hoch emotionalisiert ablehnend reagiert, weil „sie über ihre eigene Werksschließung abstimmen mussten“. Untergegangen sei dabei etwa, dass Opel in den Verhandlungen Investitionen in einer Höhe von 130 Millionen Euro zugesagt habe, die 600 hoch qualifizierte Arbeitsplätze in einer Komponentenfertigung schaffen könnten.

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In dem Zusammenhang werden schwere Vorwürfe gegen die Durchführung der Belegschaftsversammlungen am 21. März laut. Die Wahlurnen seien bereits vor der Aussprache und Information der Belegschaft geöffnet gewesen. Die Infos über die dem Vertrag zugrunde liegenden Verhandlungen seien stark eingefärbt von den persönlichen Meinungen der Betriebsräte gewesen, berichtet ein Vertrauensmann, der ebenfalls anonym bleiben möchte.

Stimmungsumschwung bei den Mitarbeitern spürbar

Weiter berichtet der Vertrauensmann aus der Belegschaftsversammlung: „Uns wurde suggeriert, dass es bei einer Ablehnung weitere Verhandlungen und ein besseres Ergebnis geben würde.“ Die Mehrheit habe dies geglaubt, er auch, berichtet der Opelaner. „Jetzt glaubt die Mehrheit: Wir wurden fehlgeleitet.“ Ein Stimmungsumschwung bei den Mitarbeitern und in deren gesamtem Umfeld sei deutlich spürbar. Jetzt wollen viele nicht mehr für den kaum mehr zu erreichenden Erhalt einer Fahrzeugproduktion kämpfen, sondern für eine gleitendes Auslaufen und die versprochenen Ersatzjobs.

Damit wären sie nun auf einer Linie mit der IG Metall. „Dauerhafte industrielle Opel-Arbeitsplätze in Bochum, dafür sollte keine Chance ungenutzt bleiben, auch wenn es nicht mehr die Fahrzeugproduktion ist“, sagt Knut Giesler.

Nach der Ablehnung des Tarifvertrags hatte Opel verkündet, die Produktion des nur hier gebauten Modells Zafira Ende 2014 in Bochum zu beenden. Der Tarifvertrag sah vor, den Wagen bis Ende 2016 weiter an der Ruhr zu bauen, danach Mitarbeiter für zwei Jahre in einer Transfergesellschaft zu beschäftigten und mindestens 1200 Stellen zu erhalten. Die Transfergesellschaft hätte vielen älteren Opelanern den direkten Übergang in die Rente ermöglicht.

Unterstützung vom Betriebsrat der US-Mutter

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Betriebsbedingte Kündigungen wären jedoch nicht für alle ausgeschlossen gewesen. Bis Ende 2014 sollten 600 Kollegen in der Autoproduktion vorzeitig ausscheiden. Andersfalls wären Kündigungen ab 2015 möglich gewesen. Nach jetzigem Stand kommt es bereits in diesem Jahr zu Entlassungen in der Getriebefertigung im Werk II mit 300 Beschäftigten. Darüber berät bereits nächste Woche erstmals die Einigungsstelle.

Im Ringen um ihr Werk erhielten die Bochumer Mittwoch überraschenderweise sogar Unterstützung vom Betriebsrat der US-Mutter General Motors. Bob King, Chef der großen US-amerikanischen Automobilarbeiter-Gewerkschaft UAW und zugleich Opel-Aufsichtsrat für die Arbeitnehmerseite, riet den Bochumern zu einer Neuabstimmung.

Eine Zustimmung zum Sanierungsvertrag könne die Tür für neue Gespräche mit dem Management öffnen, sagte er wohl nicht ganz zufällig mitten in die Bochumer Debatte hinein. Den Bochumern sei, so King, bei ihrer Ablehnung offenbar nicht richtig bewusst gewesen, dass sie damit Zeit gewinnen und ihre Jobs vielleicht doch behalten könnten, wenn der Automarkt in Europa wieder anziehe.