Bochum. . Der Bochumer Opel-Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel wurde zu einer tragischen Figur im Arbeitsplatzkampf. Er wollte dem Tarifvertrag nicht zustimmen, der das Werk zumindest für zwei Jahre erhalten hätte – und die Belegschaft folgte ihm mit großer Mehrheit. Manche sehen das jetzt so: in den vorzeitigen Untergang.
Für die Beschäftigten im Bochumer Opel-Werk muss die Spitzen-Meldung auf der Opel-Medienseite wie Hohn klingen: „Opel bringt den Frühling nach Deutschland“. Kein Wort davon, dass der Aufsichtsrat des Unternehmens am Mittwoch den formellen Beschluss zur vorzeitigen Schließung des Ruhrgebietswerks bereits zum Ende 2014 gefasst hat.
Damit gerät der Bochumer Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel zu einer tragischen Figur im Arbeitsplatzkampf. Er wollte dem Tarifvertrag nicht zustimmen, der das Werk zumindest für zwei Jahre und danach in Teilen erhalten hätte – und die Belegschaft folgte ihm mit großer Mehrheit. Manche sehen das jetzt so: in den vorzeitigen Untergang.
Auch interessant
Ob er an Rücktritt denkt? „Warum denn?“, stellt Einenkel die Gegenfrage. Aufgeben war für ihn nie eine Option. „Wir werden bis zum letzten Tag alles tun, um das Beste für die Belegschaft herauszuholen.“ Inzwischen gibt es Zweifler, ob das Beste herausgeholt wurde, als am 21. März 75 Prozent der IG-Metall-Mitglieder in zwei Belegschaftsversammlungen gegen die Annahme des Tarifvertrags gestimmt haben.
Erstmals muss er sich rechtfertigen
Dass die 3300 Opelaner aus der Fahrzeugproduktion und dem Getriebewerk dem Votum ihres Betriebsratsvorsitzenden folgten, hat viele gute Gründe. Einenkel ist für das Bochumer Werk das, was man ein Urgestein nennt. Geboren im klitzekleinen sächsischen Thum bei Zschopau, kam seine Familie einen Monat vor dem Mauerbau 1961 ins Ruhrgebiet. Schon sein Vater war ein engagierter Gewerkschafter. Einenkel senior arbeitete im 1962 neuen Werk an den ersten Kadetts mit, die in Bochum vom Band rollten.
1972 wurde der 18-jährige Einenkel einer von damals mehr als 20.000 Opelanern. Vater und Sohn gingen bis 1990 gemeinsam zur Schicht. 2004 wählten die Kollegen Rainer Einenkel zum ersten Arbeitnehmervertreter des einzigen Automobilstandortes im Ruhrgebiet. Er hat seitdem einen Schließungsplan nach dem anderen – „sechs oder sieben“, sagt er – für „sein“ Werk zu Fall gebracht, auch mit mehr oder minder wilden Streiks. Dabei stand die Belegschaft stets wie ein Mann hinter dem jetzt 58-Jährigen mit den listigen Augen.
Diesmal aber muss sich Einenkel rechtfertigen für die Ablehnung des Tarifvertrags, der älteren Opelanern eine Beschäftigung bis zum Renteneintritt ermöglicht hätte, erst bis 2016 im Werk und dann noch bis zu zwei Jahre in einer Transfergesellschaft. Einenkel spielt auf die Unklarheiten in dem Vertrag an, wenn er den Enttäuschten sagt: „Viele, die das jetzt als Verlust sehen, vergessen, dass es keine Sicherheit für einen Arbeitsplatz bis 2016 gegeben hätte.“ Ihm und vielen anderen fehlte das Vertrauen in die Zusagen von Opel, insgesamt 1200 Jobs zu erhalten.
Spontane Aktionen gegen den Schließungsbeschluss, der nach Angaben gut informierter Kreise gegen die Stimmen aller Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat gefasst wurde, wird es voraussichtlich nicht geben. „Wir lassen uns nicht provozieren“, hat Einenkel zu Protokoll gegeben.
Das zerrissene Band der Solidarität
Heute fährt Einenkel wieder nach Rüsselsheim zu den Betriebsräten der anderen Werke. Sie sollen sich nicht um die in Bochum Ende 2014 auslaufende Zafira-Produktion bemühen. Aber das Band der Solidarität mit den anderen Standorten, die für den Tarifvertrag gestimmt haben, ist längst zerrissen. Juristisch will der Bochumer Betriebsratsvorsitzende überprüfen lassen, ob der gestrige Aufsichtsratsbeschluss rechtmäßig sei oder gegen bestehende Betriebsvereinbarungen verstoße.
Nächste Woche wird Einenkel an Beratungen über Zukunftspläne für das Opel-Werk teilnehmen – das ehemalige Werk, muss man richtigerweise sagen. Frühlingsstimmung sieht anders aus.