Frankfurt/Main. . Die Commerzbank will den Staat loswerden und wieder Luft für Dividenden haben. Viele Aktionäre trauen den Parolen nicht mehr. Die Forderungen nach einem Neuanfang an der Konzernspitze werden lauter. Bank-Chef Martin Blessing bekommt auf der Hauptversammlung den Unmut von Aktionären zu spüren.

Die Commerzbank-Aktionäre proben den Aufstand. Das jahrelange Warten auf bessere Ergebnisse und eine 2,5 Milliarden Euro schwere Kapitalerhöhung sorgten auf der Hauptversammlung der zweitgrößten deutschen Bank am Freitag in Frankfurt für Unmut.

Kleinaktionärsvertreter und Investoren kündigten an, gegen die Kapitalpläne zu stimmen. Doch die nötige Zweidrittel-Mehrheit hatte Vorstandschef Martin Blessing wegen der geringen Präsenz auf dem Aktionärstreffen fast sicher, wenn der staatliche Rettungsfonds SoFFin wie erwartet zustimmt. Er ist der Haupt-Nutznießer der Kapitalerhöhung. Viele Großinvestoren und Fonds haben sich bei der Commerzbank längst zurückgezogen. Die Abstimmung wurde erst für den Abend erwartet.

Commerzbank-Chef plant "Einstieg in den Ausstieg des Staates"

Die Kritik der Kleinaktionäre traf vor allem Blessing und Aufsichtsratschef Klaus-Peter Müller. "Wir trauen diesem Management nicht. Uns reicht's", sagte der Vizepräsident der Aktionärsvereinigung DSW, Klaus Nieding. "Wir haben mehr als genug von ihren Durchhalteparolen und sogenannten Erfolgsmeldungen." Zahlreiche Kleinaktionäre wollten Vorstand und Aufsichtsrat die Zustimmung verweigern.

Blessing will mit der Kapitalerhöhung den "Einstieg in den Ausstieg des Staates" schaffen, der die Bank in der Finanzkrise mit 18 Milliarden Euro gestützt hatte. "Wir haben von Anfang an gesagt: Wir wollen alles in unserer Macht Stehende unternehmen, um die Mittel des Bundes so schnell wie möglich zurückzuführen. Das sind wir dem Steuerzahler schuldig."

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Die restlichen Stillen Einlagen des Bankenrettungsfonds SoFFin von 1,6 Milliarden Euro sollen damit ebenso zurückgezahlt werden wie die 750 Millionen Euro an den früheren Dresdner-Bank-Eigentümer Allianz. Der SoFFin will seine Beteiligung im Zuge dessen von 25 Prozent auf rund 18 Prozent reduzieren. Blessing räumte in seiner Rede ein, dass die Euro-Schuldenkrise und die Dauer-Niedrigzinsen den Plan torpediert hätten, die Hilfen aus Gewinnen zu tilgen.

Erst vom kommenden Jahr an seien erste Erfolge des Umbaus zu erwarten, mit dem das renditeschwache Geschäft mit Privatkunden auf Vordermann gebracht werden soll, sagte Blessing. Die Commerzbank sei auf einem Langstreckenlauf. "Schnelle Erfolge wird es dabei nicht geben. Viele unserer innovativen Pläne werden erst in den kommenden Jahren zum Tragen kommen." In den ersten drei Monaten hat die Commerzbank rote Zahlen geschrieben, weil sie eine halbe Milliarde Euro für den geplanten Abbau von bis zu 6000 Arbeitsplätzen zurückgestellt hat. Operativ sei die Bank "solide" ins Jahr gestartet, sagte der Vorstandschef. Beim Abbau der Staats-, Immobilien- und Schiffsfinanzierung sei sie "gut vorangekommen". Eine Prognose für 2013 sei wegen der schwelenden Schuldenkrise in Europa aber schwierig.

"Versuchen Sie Ihr Glück woanders"

Mehrere Aktionäre spielten auf den Werbespot der Commerzbank an, der im nachdenklichen Ton den Wandel glaubhaft machen soll. "Braucht diese Bank einen Vorstand, der immer so weitermacht? Nein, nein, nein!" rief Investor Karl-Walter Freitag, der beantragt hatte, Blessing und Müller abzusetzen. "Mehr Vertrauen kann man als Bankier nicht verspielen. Wann wird diese Bank endlich von Ihnen befreit?" Als Freitag vom Podium abtrat, begleitete ihn minutenlanger Beifall der 4400 Aktionäre. Ein anderer Aktionär warf Blessing vor, betriebsblind geworden zu sein. "Wechseln sie mal ihre Stelle. Versuchen sie ihr Glück woanders."

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Blessing argumentierte, die geplante Kapitalerhöhung, die Mitte Mai anlaufen soll, sei im Sinne der Aktionäre. Durch die wegfallenden Zinsen von 200 Millionen Euro bleibe mehr Geld für Dividenden übrig. Doch eine Ausschüttung hat Blessing erst für 2014 in Aussicht gestellt. Vor allem aber rüste sich die Bank für die künftigen, verschärften Eigenkapitalregeln, nach denen Stille Einlagen über die Zeit nicht mehr als Kapitalpolster anerkannt werden.

Mit der Kapitalerhöhung bekommen die Commerzbank-Aktionäre erneut die Folgen der Staatshilfen zu spüren. Denn die erhofften Gewinne, mit denen sie eigentlich abgelöst werden sollten, blieben aus. Daher muss Blessing die Anteilseigner um frisches Kapital bitten, was den bis auf 1,15 Euro gesunkenen Aktienkurs weiter drücken dürfte. Um überhaupt Aktien ausgeben zu können, sollen je zehn der 5,8 Milliarden Commerzbank-Papiere zu einer Aktie zusammengelegt werden. Die neuen Aktien werden nach Expertenschätzungen weniger als sieben Euro - nach heutigem Kurs also 70 Cent - kosten. (rtr)