Berlin. . Im Skandal um falsch etikettiertes Pferdefleisch aus den Niederlanden dürften mehr Betriebe in Deutschland betroffen sein, als bisher bekannt. In NRW melden die Behörden am Freitag 38 Firmen, die Fleisch aus dem Nachbarland verarbeitet haben sollen.

In Deutschland können weit mehr als die bislang bekannten 124 Betriebe undeklariertes Pferdefleisch aus den Niederlanden erhalten haben. Es seien von dem mittlerweile gesperrten niederländischen Unternehmen auch deutsche Zwischenhändler beliefert worden, teilte Bundesagrarministerin Ilse Aigner am Freitag zum Abschluss der Agrarministerkonferenz in Berchtesgaden mit. Es sei nicht auszuschließen, dass in dem kommenden Tagen mehr Betriebe überprüft werden müssten als bislang bekannt. In NRW sind laut Behörden bisher 38 Betriebe bekannt, die niederländisches Pferdefleisch weiterverarbeitet haben.

Die fleischverarbeitende Firma in den Niederlanden sei bereits im Februar geschlossen worden, sagte Aigner. Die dortigen Behörden hätten erst nach umfangreichen Ermittlungen jetzt Alarm geschlagen. Bei dem Fall handele es sich um handfesten Betrug, den Kriminalisten zu lösen hätten. Trotzdem erteilte die CSU-Politikerin dem Vorstoß von SPD-Chef Sigmar Gabriel eine Absage, nach dem Vorbild von Europol eine europäische Lebensmittelpolizei einzurichten: "Der reflexhafte Ruf nach immer neuen Behörden auf europäischer Ebene bringt uns nicht weiter."

EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos reagierte auf den Vorschlag des SPD-Vorsitzenden unverbindlich. Die Kommission ziehe eine Art Europol für die Landwirtschaft in betracht. Der Vorgang müsse sorgfältig geprüft werden, nichts werde ausgeschlossen.

Die niederländische Lebensmittelaufsicht hatte 50.000 Tonnen Rindfleisch zurückgerufen, weil es Pferdefleisch enthalten könnte. Da es sich aber um Lieferungen seit Anfang 2011 handelt, gehen die niederländischen Behörden davon aus, dass ein großer Teil des möglicherweise mit Pferdefleisch versetzten Rindfleisches bereits konsumiert wurde.

Ganze Pferdeviertel als Rindfleisch verkauft

Im Skandal um falsch deklariertes Fleisch wurden nach Angaben der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch ganze Pferdeviertel für Rindfleisch ausgegeben. Darüber hätten sich die europäischen Lebensmittelbehörden am 5. April informiert, teilte Foodwatch am Freitag in Berlin mit.

Der sich ausweitende Skandal befeuerte zugleich erneut die Debatte um bessere Lebensmittelkontrollen. SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte eine europäische Lebensmittelpolizei. Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) erteilte dem eine klare Absage.

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Zwischen dem 1. Februar und dem 10. April hätten die Behörden Kenntnis von 58 Fällen erhalten, in denen nicht-deklariertes Pferdefleisch grenzüberschreitend vermarktet worden sei, teilte Foodwatch mit. Dies habe die Auswertung der Meldungen im europäischen Informationssystem RASFF ergeben. Weitere Betrugsfälle mit nur national gehandelten Lebensmitteln kämen dazu.

Die Meldungen betrafen demnach Produkte aus fast allen europäischen Ländern. Seien in einigen Fällen nur geringe Mengen Pferdefleisch beigemischt worden, hätten Unternehmen auch "gewürfeltes Rindfleisch", "Rindersteaks" oder Salami vertrieben, die in Wahrheit 100 Prozent Pferdefleisch enthielten.

Verbraucher reagieren auf Pferdefleischskandal

Der Pferdfleischskandal macht sich beim zweitgrößten deutschen Lebensmitteleinzelhändler Rewe mit Geschäftseinbußen bemerkbar. In einem Gespräch mit der "Wirtschaftswoche" räumte Rewe-Chef Alain Caparros ein, dass das Unternehmen durch den Skandal Umsatzrückgänge zu verzeichnen habe. In den betroffenen Produktgruppen seien die Erlöse spürbar gesunken. Genauere Angaben machte Caparros allerdings nicht.

Im Februar hatte Rewe den Verkauf von einigen Tiefkühlerzeugnissen gestoppt, nachdem bekanntgeworden war, dass sie Pferdefleisch enthalten könnten. Auch die Marktforscher der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hatten über einen Nachfrageinbruch im Tiefkühlsegment berichtet.

Den Etikettenschwindel mit Pferdefleisch dürfe man nicht mit dem harten Preiskampf im Lebensmitteleinzelhandel entschuldigen, sagte der Rewe-Chef dem Magazin. "Wenn einem Verbraucher auf der Verpackung Rindfleisch versprochen wird und es ist Pferdefleisch drin, dann ist das schlicht Betrug". (rtr/dpa)