Dortmund. . „Mach erst mal was Sinnvolles. Studieren kannst du immer noch.“ So lautet der Rat, den Handwerkspräsident Otto Kentzler Abiturienten gibt. Im vergangenen Jahr sind etwa 15.000 Lehrstellen im Handwerk unbesetzt geblieben. Die Branche wirbt nun gezielt um Abiturienten des Doppeljahrgangs.
Das deutsche Handwerk wirbt verstärkt um Abiturienten. „Es ist doch einfach schade, dass viele Talente verkümmern, weil sie einen akademischen Abschluss anstreben, aber damit nicht glücklich werden“, sagt Handwerkspräsident Otto Kentzler im Interview.
Im Blick habe das Handwerk auch junge Menschen, die sich an der Hochschule nicht mehr wohl fühlen, erklärt Kentzler, ein Dortmunder Unternehmer. „Mein Vorschlag an frustrierte Studenten lautet: Mach erst mal was Sinnvolles. Studieren kannst du immer noch.“ Kentzler meint, „dass Massen-Unis mit überfüllten Hörsälen nicht gerade die beste Voraussetzung sind, um sich selbst zu verwirklichen“.
Herr Kentzler, was haben Sie gegen Akademiker?
Otto Kentzler: Wie kommen Sie denn darauf? Ich bin doch selbst Akademiker.
Kürzlich haben Sie aber von einem „fatalen Trend zur Akademisierung“ gesprochen.
Kentzler: Den gibt es auch. Mir geht es um den Hinweis, dass Massen-Unis mit überfüllten Hörsälen nicht gerade die beste Voraussetzung sind, um sich selbst zu verwirklichen. Wir wollen als Handwerk gezielt um enttäuschte Studenten werben. Es ist doch einfach schade, dass viele Talente verkümmern, weil sie einen akademischen Abschluss anstreben, aber damit nicht glücklich werden. Mein Vorschlag an frustrierte Studenten lautet: Mach erst mal was Sinnvolles. Studieren kannst du immer noch.
Ihr Ruf scheint aber kaum Gehör zu finden. Im vergangenen Jahr sind etwa 15.000 Lehrstellen im Handwerk unbesetzt geblieben. Läuft Ihnen etwa der Nachwuchs davon?
Kentzler: Davon kann keine Rede sein. Richtig ist, dass der Wettbewerb um gute Leute härter geworden ist. Die Zahl der Schulabgänger ist rückläufig. Das heißt, es gibt weniger Real- und Hauptschüler, die sich klassischerweise für das Handwerk interessieren. Wir wollen nun noch stärker Abiturienten für uns gewinnen.
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Karriere und Handwerk – die beiden Begriffe scheinen für viele Abiturienten nicht recht zusammenzupassen.
Kentzler: Das ändert sich bereits. Der Führungskräftebedarf im Handwerk wächst. Leider ist noch zu unbekannt, dass die Durchlässigkeit zwischen Handwerk und Hochschulen viel größer ist als in früheren Jahren. Wer einmal seinen Meisterbrief hat, bekommt mittlerweile automatisch Zugang zur Hochschule. Realschule, Lehre, Geselle, Meister, Professor – auch eine solche Karriere ist heute möglich.
Hat das Handwerk ein Imageproblem?
Kentzler: Wir haben schon viel getan, um das Bild des Handwerks zu entstauben. Unsere Imagekampagne will die Zukunfts- und Karrierechancen im Handwerk in diesem Jahr insbesondere an Jugendliche vermitteln. Motto: „Handwerk bringt dich überall hin.“ Die beste Werbung sind immer noch die Betriebe, die jeden Tag gute Arbeit abliefern. Wer mit dem Handwerk zu tun hat, merkt schnell, dass es oft um Hightech geht. Auch das Getriebe für Kleinserien von Porsche entsteht in einem Handwerksbetrieb. Wir besetzen Zukunftsthemen wie altersgerechtes Wohnen oder Energieeffizienz. Die Herausforderungen der Energiewende lassen sich nur mit dem Handwerk lösen.
Geschieht genug in den Betrieben, um gute Bewerber anzulocken? Wie sieht es beispielsweise mit Dienstwagen aus?
Kentzler: Viele Unternehmen sind sehr kreativ im Wettbewerb um Nachwuchs und Fachkräfte. Ich kenne einen Betrieb, in dem der beste Lehrling den Smart der Firma fahren darf. Das Signal lautet: Leistung wird honoriert. Doch auch Weiterbildung, selbständiges Arbeiten, Verantwortung, Flexibilität oder Familienfreundlichkeit machen den Arbeitsplatz im Handwerk attraktiv.
Lassen Sie uns übers Geld reden. Zu den Top-Verdienern zählen viele Beschäftigte im Handwerk nicht.
Kentzler: So vielfältig wie das Handwerk sind auch die Verdienstmöglichkeiten. Die Regel ist eine ordentliche Bezahlung. Das Einkommen eines Handwerksmeisters kann durchaus mit der Vergütung für Akademiker mithalten. Außerdem verdienen Handwerker in der Regel viel früher als Hochschulabsolventen gutes Geld – für sie ist daher vom Institut der Deutschen Wirtschaft eine höhere Bildungsrendite errechnet worden als für Akademiker. Eine „Generation Praktikum“ gibt es im Handwerk auch nicht. Gute Fachkräfte bekommen bei uns eine feste Anstellung.