Essen. . Die Kreativität der Konzerne ist groß, wenn es um Namen für Sanierungspläne geht. „Turbine 2013“ oder „Power 8“ – die Liste der Begriffe wird immer länger. Meist sind sie englisch und klingen positiv. Wie Unternehmer Spar- und Umbauvorhaben in zukunftsweisende Begriffe kleiden.
Sie heißen „Fit for Leadership“, „Turbine 2013“ oder „Power 8“: Die Kreativität der Konzerne ist groß, wenn es um Spar- oder Umbauvorhaben geht. Die Beispiele von Daimler, Air Berlin oder Airbus belegen es. Auf Deutschlands Vorstandsetagen scheint ein Wettstreit um den besten Slogan entbrannt zu sein.
Oft geht es darum, harte Einschnitte zu kaschieren, gerne auch mit englischen Wortkreationen. Die Globalisierung hinterlässt tiefe Spuren in der Managersprache. „Achieve Change @ ThyssenKrupp“, „Best in Class – reloaded“, so heißen zwei Programme, die der Essener Konzern auf den Weg gebracht hat. „Wandel erreichen“ und „einmal mehr führend in der Branche“ sein, so hätte es Thyssen-Krupp auch formulieren können.
Der Werbetexter Frank Dopheide zeigt Verständnis dafür, dass die englische Sprache dominiert, wenn deutsche Weltkonzerne ihre Position bestimmen. „Die großen Programme der Konzerne sind keine nationale Angelegenheit“, sagt Dopheide. „Das Programm geht über alle Standorte und alle Grenzen. Insofern hilft Englisch.“
"Englische Sprache steht für Neuanfang"
Generell scheint die deutsche Wirtschaft englische Begriffe zu lieben. „Seit Ende des Zweiten Weltkriegs steht die englische Sprache als Synonym für Freiheit und Neuanfang in Deutschland. Vor allem in der Werbung haben wir über Jahre einen starken Trend in Richtung englischer Modebegriffe entdeckt“, erläutert Christoph Moss, Leiter des Mediainstituts für Marketing und Kommunikationsforschung an der BITS-Hochschule Iserlohn. „Tatsächlich besinnen sich aber viele Unternehmen seit einigen Jahren wieder stärker auf Werbung in deutscher Sprache – wohl auch, weil viele Kunden englischsprachige Werbung gar nicht oder falsch verstehen.“
Doch wenn es um Sparprogramme geht, sollen vor allem Mitarbeiter und Aktionäre angesprochen werden. „Die Namen haben eine kurze Verfallszeit. Sie müssen immer wieder neu erfunden werden, um Aktivität zu unterstreichen“, sagt Manfred Gotta, der Markennamen wie Vectra, Megaperls und Evonik erfunden hat.
Viele Slogans klingen austauschbar. „Route 06“, „Vision 2020“, „Challenge 09“, „Next“, „Forward“, „For Motion“ und „On Track“ – die Liste wird immer länger. „Das sind Marketingkreationen“, sagt Christoph Moss. „Zum Teil sollen sie globales Denken ausdrücken, was vollkommen legitim ist. Zum Teil sollen sie aber auch helfen, unangenehme Tatsachen zu transportieren. Und dies geht in einer Fremdsprache nun einmal leichter als in der Muttersprache.“
Slogans reizen häufig zur Persiflage
Die Konzerne laufen auch Gefahr, dass die Namen persifliert werden – wie etwa beim Metro-Konzern oder der Lufthansa, wo aus „Shape“ (die Form) bei Spöttern „Shave“ (die Rasur) wurde – beziehungsweise aus dem ehrgeizigen „Score“ (Punkte erzielen) das unschöne Wort „Scare“ (Schrecken). „Jeder Name lädt zum Schabernack ein. Es gibt in diesen Prozessen Betroffene, Ungerechtigkeiten und Enttäuschungen“, sagt Frank Dopheide. „Deren Energie muss irgendwo hin.“
Christoph Moss rechnet damit, dass die Konzerne reagieren werden. „Es wird auf Dauer sicherlich dazu führen, dass Unternehmen und Agenturen sich noch mehr Gedanken bei der Entwicklung neuer Begriffe machen müssen.“
Medienexperte Christoph Moss über Wortkreationen in der Wirtschaft
Die Kreativität der Konzerne ist groß, wenn es um Spar- oder Umbauvorhaben in den Unternehmen geht. Im Interview erläutert Christoph Moss von der BITS-Hochschule Iserlohn, welchen Zweck die wohlklingenden Namen erfüllen.
Sie heißen „Fit for Leadership“ (Daimler) oder „Achieve Change @ ThyssenKrupp“, „Turbine 2013“ (Air Berlin) oder „Power 8“ (Airbus): Die Kreativität der Konzerne ist groß, wenn es um Spar- oder Umbauvorhaben im Unternehmen geht. Welchen Zweck erfüllen die Namen?
Christoph Moss: Das sind Marketingkreationen. Zum Teil sollen sie globales Denken ausdrücken, was vollkommen legitim ist. Zum Teil sollen sie aber auch helfen, unangenehme Tatsachen zu transportieren. Und dies geht in einer Fremdsprache nun einmal leichter als in der Muttersprache. Allerdings sind englische Kunstbegriffe nicht die einzige Möglichkeit, an bestimmten Stellen nicht konkret zu werden. Deutsche Unternehmen verfallen auch gern in die Passivsprache, wenn sie bestimmte Informationen vorenthalten wollen. Dann hören wir: „Es wurde gesagt…“ Oder: „Geplant ist.“ Oder: „Geprüft wird.“
Sind diese Wortkreationen mehr als leere Worthülsen?
Moss: Das will ich im Sinne der Unternehmen stark hoffen. Zunächst einmal ist es zu begrüßen, dass Unternehmen sich Gedanken über einen Namen für ein Programm machen. Und es ist eben deutlich leichter einen englischsprachigen Kunstbegriff zu verwenden, weil er wesentlich beliebiger ist als ein Wort aus der oft sehr konkreten deutschen Sprache.
Geht es vor allem darum, harte Einschnitte zu kaschieren?
Moss: Das lässt sich nicht zweifelsfrei sagen. Aber es entsteht ein ungutes Gefühl.
Wie glaubwürdig sind die wohlklingenden Namen?
Moss: Sie sind nicht besonders verständlich. Und wer unverständlich spricht, vergibt eine große Chance, glaubwürdig zu kommunizieren. Imponieren statt zu informieren ist selten gut. Aber um das ganz deutlich zu sagen: Wenn ich Kritik übe, dann nicht an der englischen Sprache. Sondern an der Grundhaltung von Unternehmen, in bestimmten Situationen unverständlich zu kommunizieren. Das ist leider auch in deutscher Sprache möglich.
Wie groß ist die Gefahr, dass die Namen persifliert werden – wie etwa beim Metro-Konzern oder der Lufthansa, wo aus „Shape“ (Form) zuweilen „Shave“ (die Rasur) wurde beziehungsweise aus „Score“ (Punkte erzielen) das Wort „Scare“ (Schrecken)?
Moss: Die Gefahr ist sehr groß, zumal das Internet mit seinen Sozialen Netzwerken ein gehöriges Maß an sprachlicher Kreativität entwickelt, die sich besonders gern über Unternehmenskommunikation lustig macht. Das lässt sich nie ganz vermeiden. Aber es wird auf Dauer sicherlich dazu führen, dass Unternehmen und Agenturen sich noch mehr Gedanken bei der Entwicklung neuer Begriffe machen müssen.
Die deutsche Wirtschaft scheint generell englische Begriffe zu lieben. Warum ist das so?
Moss: Seit Ende des Zweiten Weltkriegs steht die englische Sprache als Synonym für Freiheit und Neuanfang in Deutschland. Vor allem in der Werbung haben wir über Jahre einen starken Trend in Richtung englischer Modebegriffe entdeckt. Tatsächlich besinnen sich aber viele Unternehmen seit einigen Jahren wieder stärker auf Werbung in deutscher Sprache – wohl auch, weil viele Kunden englischsprachige Werbung gar nicht oder falsch verstehen.