Rheinberg. . Auch in NRW gibt es Kritik an den Arbeitsbedingungen bei Amazon. Nach Angaben von Verdi spielt Leiharbeit am Amazon-Standort Rheinberg eine wichtige Rolle. Zu kurze Pausen, Schlangen vor der Toilette, Lohn unter Tarifniveau, Überwachung mit Sicherheitsschleusen – die Mängelliste von Verdi ist lang.
Der Internet-Versandhändler Amazon steht wegen der Arbeitsbedingungen in seinen Logistikzentren in der Kritik. Im Blickpunkt steht vor allem der Standort Bad Hersfeld.
Auch in Nordrhein-Westfalen gibt es einen wichtigen Amazon-Standort: Sabine Busch, ist bei der Gewerkschaft Verdi zuständig für den Amazon-Standort Rheinberg. Im Interview spricht sie darüber, was die Mitarbeiter in dem Amazon-Logistikzentrum am Niederrhein beschäftigt.
Frau Busch, der Online-Handelsriese Amazon steht in der Kritik. Es gibt Vorwürfen, am Standort Bad Hersfeld seien Leiharbeitskräfte aus dem Ausland in überbelegten Ferienwohnungen untergebracht, schlechter bezahlt als versprochen und stundenlang in Bussen hin- und hertransportiert worden. Sind Ihnen ähnliche Arbeitsbedingungen in Rheinberg bekannt?
Sabine Busch: Auch in Rheinberg gab es in der Vorweihnachtszeit schwierige Verhältnisse, als im großen Stil Leiharbeitskräfte zum Einsatz kamen. Mir ist aber nicht bekannt, dass es in Rheinberg ähnlich kritische Zustände gab wie in Bad Hersfeld. Wichtig ist, dass das Unternehmen nun rasch zur Aufklärung beiträgt und dafür Sorge trägt, dass die Arbeitbedingungen an allen Amazon-Standorten gut sind.
Wie wichtig sind Leiharbeiter für Amazon?
Busch: Amazon setzt sehr häufig Leiharbeiter ein - und das sehen wir kritisch. Gerade in der Vorweihnachtszeit kann es dazu kommen, dass Belegschaften praktisch verdoppelt werden. Das hat gravierende Auswirkungen für die Beschäftigten. Teams werden durcheinandergewirbelt, was zuweilen zu Spannungen führen kann. Ganz praktische Fragen spielen eine Rolle - beispielsweise lange Schlangen vor den Toiletten oder zu großer Andrang in der Kantine.
Was sollte Amazon tun?
Busch: Amazon sollte die Mitarbeiter grundsätzlich direkt einstellen - und nicht über den Umweg von Leiharbeitsfirmen, die Kosten verursachen, die letztlich vom Lohn der Arbeitnehmer abgezogen werden und zu einem geringeren Entgelt führen.
Der Amazon-Standort hatte zunächst keinen Betriebsrat. Ändert sich das nun?
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Busch: Ja. Am 13. März wird erstmals ein Betriebsrat gewählt. Zu einer ersten Info-Veranstaltung kamen vor wenigen Wochen rund 1500 Mitarbeiter. Das zeigt, wie groß das Interesse ist.
Was sind die wichtigsten Themen der Beschäftigten?
Busch: Ein großes Thema sind die Pausen, die zu knapp bemessen sind. Jeder Mitarbeiter hat 45 Minuten Zeit am Tag für den Gang zur Kantine. Das ist zu wenig, denn die Beschäftigten müssen zum Teil lange Wege in den Hallen zurückzulegen und mehrere Minuten lang an einer Sicherheitsschleuse wie am Flughafen warten. Für die rund 2700 Mitarbeiter gibt es gerade einmal vier Sicherheitsschleusen. Es folgt eine Schlange bei der Essensausgabe. Daher bleibt für das Essen oft nur noch wenige Minuten. So wird die Pause zum Stressfaktor.
Warum überhaupt Sicherheitsschleusen vor der Kantine?
Busch: Offenbar soll es darum gehen, dass es nicht zu Diebstählen kommt. Die Kontrollen sind streng. Beschäftigte dürfen keine persönlichen Gegenstände mitnehmen. Die Sicherheitsschleuse meldet schon Alarm, wenn sich ein Kaugummipapier in der Hose befindet.
Wie steht es um die Bezahlung der Mitarbeiter?
Busch: Der Durchschnittlohn von Amazon in Rheinberg liegt bei rund zehn Euro pro Stunde. Das ist kein Tariflohn, wie ihn zum Beispiel der Otto-Versand mit 12,28 Euro zahlt. Amazon hat hier Nachholbedarf.
Gibt es weitere Probleme?
Busch: Wichtig ist, dass die Flexibilität der Beschäftigten nicht überstrapaziert wird. Wenn weniger Arbeit anfällt, werden Beschäftigte zuweilen sehr kurzfristig nach Hause geschickt. Umgekehrt wird oft praktisch von heute auf morgen angekündigt, dass an Samstagen durchgearbeitet werden soll. Auch hier sind Verbesserungen notwendig.