Brüssel. Der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem übernimmt die Führung der Eurogruppe. Die Euro-Finanzminister wählten den 46-jährigen Sozialdemokraten am Montagabend zum Nachfolger des Luxemburgers Jean-Claude Juncker, der sich nach acht Jahren verabschiedet.

Er ist ein Spezialist für Landwirtschaft, soll zuhause ein Pferd und Schweine halten. Doch die Zeit für sein Hobby wird nun knapp: Am späten Montagabend ist Jeroen Dijsselbloem, seit drei Monaten niederländischer Finanzminister, zum Nachfolger Jean-Claude Junckers als Chef der mächtigen Eurogruppe gekürt worden. Jetzt wird sich der 46-Jährige statt um Schweine vor allem um Griechenland, Spanien und Zypern kümmern müssen.

Paris wollte die Berufung des unerfahrenen "Greenhorns" aus Eindhoven noch verzögern, um ihn mehr auf die eigene Linie zu trimmen. Doch am Montag lenkte auch Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici ein: Er hoffe, der Neue werde genau so wie Juncker für eine Balance zwischen Nord- und Südländern, zwischen Spar- und Wachstumspolitik finden, sagte er. Um 22.00 Uhr war die Kür vollbracht, und der Champagner wurde serviert.

Schäuble und Co. gehen mit Dijsselbloem ein Risiko ein

Zu seinem neuen Amt ist Dijsselbloem wie die Jungfrau zum Kinde gekommen: Er ist studierter Agrarökonom, startete als "roter Ingenieur" in die Politik, um die niederländische Sozialdemokratie zu erneuern. Zehn Jahre saß er im Parlament, kümmerte sich um Bildungs- und Migrationspolitik.

Nach der Neuwahl in den Niederlanden saß er als Verhandlungsführer mit am Tisch und schmiedete die Koalition mit den Rechtsliberalen. Dennoch galt es als Überraschung, als ihn Regierungschef Mark Rutte zum Finanzminister berief. Und nur drei Monate später muss der Lockenkopf die vielen Fäden in der Währungsunion zusammenführen und den Weg aus der Krise aufzeigen. Damit gehen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seine Kollegen ein Risiko ein.

Dijsselbloem - ein "knallharter" Sanierer?

Noch kurz vor seiner Ernennung hatte Moscovici den schon als Überflieger gefeierten Dijsselbloem zurechtgestutzt: Ihm fehle es an Erfahrung, grummelte der Franzose am Donnerstag im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Der Niederländer habe seine "Vision" für die Zukunft der Währungsunion noch nicht hinreichend dargelegt. Das war keine freundliche Geste und sollte schon mal klar machen, dass sich Dijsselbloem besser auch der französischen Belange annehmen sollte: vor allem des raschen Aufbaus einer Bankenunion.

In Berlin hofft man indes, Dijsselbloem werde dem Druck aus dem Süden standhalten und die strenge Konsolidierungskur für die Eurozone nicht lockern. Dafür spricht einiges. Zwar Sozialdemokrat, und damit politisch näher an der sozialistischen französischen Regierung, ist der Niederländer kein Keynesianer, der die Wirtschaft mit staatlichen Konjunkturprogrammen beleben will. Zuhause fährt er einen Reformkurs, zu dem auch die Liberalisierung des Arbeitsmarktes gehört. Und er kündigte die "knallharte" Fortführung der Haushaltssanierung an. Für einen "klugen Mann" hält man ihn deswegen in der deutschen Hauptstadt.

Jean-Claude-Juncker hinterlässt große Fußstapfen

Dass der als konziliant und smart beschriebene Euro-Neuling nun in die riesigen Fußstapfen von "Mister Euro" tritt, liegt auch daran, dass schlicht keine konsensfähige Alternative zu Juncker gefunden wurde. Eine Rotationslösung Schäuble-Moscovici scheiterte an deutsch-französischen Streitigkeiten sowie am deutschen Wahlkalender. Die finnische Ressortchefin Jutta Urpilainen kann es nicht werden, weil EU-Finanzkommissar Olli Rehn die gleiche Nationalität hat. Und Österreichs Ressortchefin Maria Fekter hat ein zu keckes Mundwerk für den sensiblen Job.

"Man sollte sich eher sorgen, wenn der eigene Name nicht fällt", sagte Dijsselbloem selbst im Dezember, als er plötzlich als Favorit für den Chefsessel gehandelt wurde. Damit zeigte der sonst eher bierernst wirkende Vater von zwei Kindern, dass er zu Selbstironie fähig ist. Auch dass der Niederländer hervorragend Englisch spricht, ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil, um die Minister durch die vertrackte Fachmaterie zu führen.

Ein strengerer Arbeitsfahrplan?

Sein Vorgänger Juncker zeigte sich am Montag erleichtert, den Staffelstab endlich übergeben zu können. Er wisse zwar nicht, ob man die Eurogruppe als "Irrenhaus" bezeichnen sollte. Gleichwohl habe er seit sechs Monaten gerufen: "Holt mich hier raus!"

Dijsselbloem kann nun auch für frischen Wind sorgen. Zu erwarten sei, dass er den Arbeitsfahrplan für die Eurogruppe wesentlich strikter durchplanen werde als sein Vorgänger, hieß es aus EU-Diplomatenkreisen. Das könnte nicht zuletzt für Schäuble anstrengend werden. Unter Juncker war es ihm häufig gelungen, bei dem ein oder anderen Anliegen der Krisenländer erfolgreich auf die Bremse zu treten. (dapd)