Berlin. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble räumt erstmals ein, dass der deutsche Etat direkt belastet wird, wenn Griechenland zur Bewältigung seiner Schuldenkrise Geld aus Deutschland erhält. Allein im kommenden Jahr mit 730 Millionen Euro. Der Bundestag soll am Mittwoch den neuen Notkredit absegnen.

Die neuen Griechenland-Hilfen werden entgegen früheren Regierungsangaben den deutschen Steuerzahler doch direkt belasten: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach gestern in Berlin von 730 Millionen Euro, die sich allein im kommenden Jahr im Bundeshaushalt niederschlagen.

In der Nacht zuvor hatte Schäuble mit den Ministern der Eurogruppe und dem Internationalen Währungsfonds IWF in Brüssel nach zähem Ringen den Weg für weitere Notkredite über 44 Milliarden Euro für Griechenland geebnet.

Deutschland könnten drei Milliarden Euro entgehen

Allerdings handelt es sich bei Schäubles Rechnung für den deutschen Haushalt in erster Linie nicht um neue Ausgaben, sondern um geringere Einnahmen: So führen die für Athen gesenkten Kreditzinsen beim Bund zu Mindereinnahmen von 130 Millionen Euro im nächsten Jahr. Auch der deutsche Anteil an den Gewinnen der Europäischen Zentralbank (EZB) fließt nach Griechenland, in den kommenden 20 Jahren könnten Deutschland so knapp drei Milliarden Euro verloren gehen. Für die Jahre 2015 und 2016 ist Schäuble zufolge außerdem die Finanzlücke in Griechenland noch nicht ganz gedeckt, damit können weitere Lasten auf den Bund zukommen – wenn bis dahin nicht ohnehin der erwartete, aber vorerst vermiedene Schuldenschnitt zu Milliarden-Ausfällen Deutschlands führt.

Nach dem Willen der Regierung wird der Bundestag das Hilfspaket im Eiltempo bereits am Donnerstag beschließen. Eine breite Mehrheit auch mit Stimmen von SPD und Grünen gilt als sehr wahrscheinlich, beide signalisierten Zustimmung, auch wenn sie die Tragfähigkeit der Lösung bezweifelten. Doch am knappen Zeitplan entzündet sich Streit, die SPD drängt auf eine mindestens teilweise Verschiebung der Entscheidung.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf ebenso wie die Grünen der Regierung vor, sie habe mit den neuen Hilfen den fälligen Schuldenschnitt für Griechenland nicht vermieden, sondern nur auf einen Zeitpunkt nach der Bundestagswahl verschoben. Schäuble und die Regierung versuchten, sich an den Wahrheiten vorbeizumogeln. Dagegen versicherte der Finanzminister, der Schuldenschnitt sei nicht allein am deutschen Widerstand gescheitert – es habe viele rechtliche Fragen gegeben.

Steinbrück will notfalls Vorschriften ändern

Allerdings hatten sich die Finanzminister der Eurogruppe in Brüssel eine Hintertür für einen zweiten Schuldenerlass offen gehalten. Ein drittes Hilfspaket für Griechenland ab 2014 scheint ebenfalls nicht ausgeschlossen.

Schäuble betonte jedoch, in Deutschland seien die rechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben, weil der Bund einem Staat nicht Schulden erlassen und ihm gleichzeitig neue Kredite geben dürfe, sagte Schäuble. Diese Rechtsauffassung teilt auch SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, rät aber dazu, im Notfall die Vorschriften zu ändern. Überraschend schloss auch FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle einen Schuldenschnitt auf lange Sicht nicht aus.