Brüssel.. Den EU-Mitgliedsländern ist es am Freitag nicht gelungen, sich auf einen Etat für die Jahre 2014-2020 zu einigen. Trotzdem gibt es etwas zu vermelden: Bundeskanzlerin Angela Merkel ist jetzt eine Art Freundin der Briten.

Das Geschacher ums EU-Haushaltsgeld wird zum politischen Streit. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) trat am Freitag als Verteidigerin des europaskeptischen Großbritanniens auf – nicht ganz uneigennützig.

Großbritanniens massive Spar-Forderungen bargen nicht den einzigen Sprengstoff beim jüngsten EU-Haushaltsgipfel. Also scheiterten die Verhandlungen am Freitagnachmittag erwartungsgemäß. Zu weit liegen die Vorstellungen der 27 Staaten auseinander, wie viel Haushaltsgeld die EU in den Jahren 2014 bis 2020 erhalten soll.

Merkel lobt die Gründlichkeit

Doch niemand zeigte sich wirklich enttäuscht. Immerhin hätten die Staaten Fortschritte erreicht, hieß es. „Standpunkte ergründen“, nennt das Frankreichs Präsident Francois Hollande. Gewundener drückt es Kanzlerin Merkel aus.

„Die bilateralen Gespräche und die konstruktive Diskussion haben ein ausreichendes Maß an Potenzial für eine Einigung erbracht“, findet sie. „Es gibt überhaupt keinen Grund, das übers Knie zu brechen.“ Merkel fügt noch den aktuellen europapolitischen Lieblingssatz der Bundesregierung hinzu: „Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit.“

Vertagt auf Anfang 2013

Die Politiker wollen sich nun Anfang nächsten Jahres darauf einigen, mit wie viel Geld sie die EU-Haushaltskasse für die Jahre 2014 bis 2020 ausstatten.

Im Budget-Streit für diesen Zeitraum geht es um etwa eine Billion Euro – so viel will die EU-Kommission. Deutschland möchte den Brüsseler Vorschlag zusammenstreichen, ebenso die Niederlande und Schweden.

Großbritannien hält die EU-Wünsche für viel zu hoch. „Brüssel lebt in einem Paralleluniversum“, wettert Premierminister David Cameron. Es sei höchste Zeit, dass die EU-Behörden wieder „Anschluss an die normale Welt“ fänden.

EU-HaushaltFür Cameron geht es um ein Symbol

Daher will Cameron, dass die EU ihre Verwaltungskosten zusammenstreicht. Sie machten zwar lediglich sechs Prozent der Gesamtausgaben aus. Aber hier den Rotstift anzusetzen, würde Milliarden sparen und ein Zeichen senden.

Immer wieder sagt Cameron, er vertrete die Interessen der britischen, aber auch der europäischen Bürger. Schließlich füllten deren Steuergelder in die EU-Kasse.

Isoliert fühlt sich der Brite nicht, im Gegenteil. Er habe „starke Verbündete“ in Europas Haushaltsstreit, namentlich Schweden und die Niederlande. Das ähnlich sparwillige Deutschland nennt Cameron nicht.

Berlin vertritt die Geber, Paris die Empfänger

Das tat dafür Frankreichs Präsident Francois Hollande. „Deutschland wollte Großbritannien nicht isolieren“, sagt er. „Und Frankreich wollte, dass die Länder gehört werden, die besonders von EU-Fördergeldern profitieren.“ Deutschland und Frankreich arbeiteten aber nicht gegeneinander: „Wir bringen Europa gemeinsam voran.“

Um dieses Ziel im Budget-Streit zu erreichen, müssen sich Merkel und Hollande anstrengen. Und trennende Gräben quer durch Europa überwinden.

Kein Land will große Abstriche machen

Gräben trennen bisher die Netto-Zahler – wie Deutschland, Großbritannien oder Frankreich – und die Netto-Empfänger. Also die Staaten, die bisher mehr ins EU-Budget einzahlen, als sie zurückhalten – und die Staaten, die unterm Strich Geld herausbekommen. Kein Land will große Abstriche bei Förder- und Landwirtschafts-Geldern machen.

Dabei wollen die Europäer eigentlich ein „zukunftsfähiges modernes“ EU-Budget haben, wie es im Polit-Sprech heißt. Damit meinen sie: EU-Gelder sollen noch stärker als bisher in Projekte und (Forschungs-)Programme fließen, die Europas flauer Wirtschaft Schwung verleihen können.

Es geht um Landwirtschaft und Regionalförderung

Doch dazu müssten die Staaten Abstriche bei den zwei Bereichen machen, die bisher etwa 80 Prozent der EU-Ausgaben ausmachen: Bei den Töpfen für Landwirtschaft und Regionalförderung. Frankreich tritt als Vorreiter der Staaten – darunter Deutschland - auf, die gegen große Kürzungen bei den Agrar-Hilfen sind. Die Osteurpäer möchten derweil an der Regionalförderung festhalten, von der sie stark profitieren.

Zugleich will kein Staat seinen Rabatt auf seine Beiträge zum EU-Haushalt aufgeben. Nicht nur Großbritannien erhält eine Ermäßigung – den „Briten-Rabatt“ -, sondern auch Deutschland, Österreich und die Niederlande.

Hinzu kommt, dass die Zeiten ungünstig sind, um über Europas Mehrjahres-Budget zu reden. Schließlich fechten die Europäer einen weiteren Streit ums Geld aus. Sie sind sich uneins, wie sie bei der Rettung des pleitebedrohten Griechenlands weitermachen sollen.

Griechenland, Frankreich – überall EU-Baustellen

Deswegen ist die Euro-Schuldenkrise längst nicht eingedämmt. Und die Staaten daheim zum Sparen verdammt. Zu allem Überfluss kämpft nun auch der zweitgrößte EU-Staat Frankreich mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten.

Die EU könne nicht mehr Geld erhalten, wenn die Staaten ihre nationalen Ausgaben zusammenstreichen müssten, lautet Camerons Argument.

Für Merkel ist es praktisch, dass Großbritannien beim Sparen vorprescht. Und den meisten Unmut auf sich zieht. Sie kann sich damit als europäische Vermittlerin geben – und zugleich im Windschatten der Briten ein, wie sie sagt, „vernünftiges“ – sprich: nicht zu hohes – EU-Budget aushandeln.