Essen. . Kartell- und Korruptionsaffären kosteten im Dezember drei Vorstände beim Stahlkonzern Thyssen-Krupp die Posten. Am Freitag stolperte nun mit IG-Metall-Vorstand Bertin Eichler der erste Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat über Luxusreisen, die ihm das Unternehmen bezahlte.
Wenige Tage vor der Hauptversammlung von Thyssen-Krupp gerät nun auch die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat des krisengeschüttelten Konzerns in Bedrängnis. Es geht um Erste-Klasse-Flüge und die Rolle der Arbeitnehmer bei der Entscheidung über den Bau des Stahlwerks in Brasilien, mit dem Thyssen-Krupp Milliarden-Verluste eingefahren hat.
Der erste Gewerkschafter zog am Freitag die Konsequenzen: Nach Berichten über Luxusreisen auf Kosten von Thyssen-Krupp kündigte Bertin Eichler, Kassierer im Bundesvorstand der IG Metall und Vize-Aufsichtsratschef des Technologie- und Stahlkonzerns, an, bei der Hauptversammlung am Freitag nicht mehr für den Aufsichtsrat zu kandidieren. Eichler sagte zudem, er werde Thyssen-Krupp „die Differenz der Kosten der First-Class-Flüge zur Business-Klasse“ erstatten.
Geschäftsanbahnung in der Karibik
Der Gewerkschafter bestätigt, an fünf Reisen „von und für Thyssen-Krupp“ nach China, Thailand, USA und Kuba teilgenommen zu haben. Zum Trip nach Shanghai 2004 gehörte nach Informationen dieser Zeitung nicht nur die Besichtigung von Konzern-Niederlassungen, sondern auch ein Besuch beim Formel-I-Rennen. Die Tickets hatte Thyssen-Krupp besorgt.
Eine Reise nach Kuba 2011, bestätigt die IG Metall, kam sogar auf Anregung Eichlers zustande. Es ging um eine Geschäftsanbahnung für Aufzüge und Anlagenbau mit einem Bekannten des Gewerkschafters, der auf der Karibikinsel ein Unternehmen hat. Während die Thyssen-Krupp-Delegation den Hinflug in der Economy Class absolvieren musste, nutzten Eichler und Personalvorstand Ralph Labonte auf dem Weg nach Hause die Erste Klasse und mussten dafür einen Umweg über Mexiko in Kauf nehmen.
„Nicht alles richtig“
Eichler rechtfertigte die „Reisen in Wachstumsmärkte“ am Freitag, zeigte sich aber auch selbstkritisch: „Dennoch ist nicht alles richtig, was zulässig ist und üblich war“, erklärte er. Nach Angaben der Gewerkschaft hat Eichler nicht gegen die internen „Leitlinien der IG Metall für eine gute Aufsichtsratsarbeit“ verstoßen. Darin ist allerdings nicht geregelt, ob es für einen Arbeitnehmervertreter schicklich ist, sich zu Erste-Klasse-Flügen einladen zu lassen. Die IG Metall, so eine Sprecherin, prüfe nun, ob sie eine solche Regelung für die Flugpraxis erlassen werde.
Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger indes nimmt den Fall Eichler zum Anlass, die internen Prüfungen von Luxusreisen für Journalisten, die der Konzern bezahlt hat, auch auf Reisen von Vorstandsmitgliedern mit Dritten auszuweiten.
Arbeitnehmer für Werk in Brasilien
Angesichts des Neun-Milliarden-Desasters für die Stahlwerke in Brasilien und USA kommen auch andere Arbeitnehmervertreter von Thyssen-Krupp in Erklärungsnot. Aus dem Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 12. Mai 2006, welches das „Handelsblatt“ in Auszügen veröffentlichte, geht hervor, dass der Neubau in Brasilien einstimmig, also auch mit Billigung der Arbeitnehmerseite, beschlossen wurde.
Öffentlich hatten Betriebsräte und Gewerkschafter stets betont, dass sie das Projekt „von Anfang an kritisch hinterfragt und auf Fehlentwicklungen hingewiesen“ hätten. Das wiederholte gestern auch Gesamtbetriebsratschef Willi Segerath im Gespräch mit dieser Zeitung: „Ich habe mich sehr sauber verhalten. Wir haben den Investitionen und der Strategie immer sehr, sehr kritisch gegenüber gestanden.“