Essen. Die Affäre um von Thyssen-Krupp gesponsorte Luxusreisen weitet sich aus: Nach Recherchen der WAZ Mediengruppe fuhren auch Gewerkschafts-Mitglieder auf Kosten des Unternehmens nach Kuba. Die Arbeitnehmer sollten laut Thyssen-Krupp im sozialistischen Kuba vor allem helfen, Aufzüge zu verkaufen.
In der Affäre um Luxusreisen auf Kosten des Konzerns Thyssen-Krupp geraten nun auch Reisen der Arbeitnehmervertreter in den Fokus. Nach Recherchen der WAZ Mediengruppe fuhren etwa Gewerkschafts-Vertreter zusammen mit dem damaligen Vorstandsmitglied Olaf Berlien Mitte 2011 nach Kuba. Dort wollten sie Geschäftskontakte vermitteln.
Spitzenvertreter der Gewerkschaften innerhalb der Reisegesellschaft war IG-Metall Hauptkassierer Bertin Eichler, gleichzeitig stellvertretender Aufsichtsratschef bei Thyssen-Krupp. Wie ein Sprecher Eichlers auf Anfrage bestätigte, wollten die Arbeitnehmer im sozialistischen Kuba vor allem helfen, Aufzüge zu verkaufen.
"Zebrareisen" sorgen weiter für Wirbel bei Thyssen-Krupp
Weiter räumte der Sprecher ein, dass es neben den geschäftlichen Terminen bei Regierungsvertretern auch Havanna besichtigt worden sei. Zudem hätten die Arbeitnehmervertreter kulturelle Veranstaltungen besucht.
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Den Rückflug traten die Arbeitnehmervertreter um Eichler dann nicht zusammen mit Vorstand Berlien an, sondern flogen getrennt von ihm über Mexiko per erster Klasse nach Deutschland. Berlien hatte den billigeren Direktflug in die Heimat bevorzugt. Laut IG Metall habe Berlien früher zurückfliegen müssen, alle anderen Teilnehmer hätten die von Thyssen-Krupp vorgesehenen Flugrouten genutzt.
Bei Thyssen-Krupp gibt es für die Vermengung von Geschäftsreisen mit privaten Ausflügen auf Firmenkosten die interne Bezeichnung „Zebrareisen“. Zuletzt waren entsprechende Luxusreisen auf Firmenkosten für Journalisten beispielsweise nach Südafrika in die Kritik geraten.
Thyssen-Krupp lud zu Formel-1-Rennen
Eine weitere "Zebrareise" in der ersten Klasse führte IG-Metall-Mann Bertin Eichler 2004 auf Kosten von Thyssen-Krupp nach Shanghai. Dort besichtigte der stellvertretende Aufsichtsratschef Firmenniederlassungen des Konzerns. Außerdem schaute sich der Metaller ein Formel-1-Rennen an. Das Ticket für das Spektakel hatte der Konzern beschafft.
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Nach Aussage eines Sprechers von Eichler seien Reisen auf Firmenkosten nichts ungewöhnliches, solange sie in Ausübung des Mandates erfolgen und "als geboten erscheinen“. Und weiter: "Bei Thyssen-Krupp war es gängige Praxis, dass geschäftliche Überseereisen von allen Aufsichtsratsmitgliedern vom Unternehmen organisiert und in der 1. Klasse gebucht wurden. Aus heutiger Sicht ist es sinnvoll, diese Praxis zu überprüfen und klare Kriterien zu vereinbaren."
Aufsichtsrat Eichler will First-Class-Flüge erstatten
Am Freitag gab IG Metall Vorstandsmitglied Bertin Eichler bekannt, dass er die Erste-Klasse-Flüge als Aufsichtsrat bei Thyssen-Krupp nachträglich erstatten will: "Es handelte sich um Reisen in Wachstumsmärkte, im Wesentlichen für die weiter aufstrebenden und rentablen Geschäftsfelder Anlagenbau und Aufzüge", teilte Eichler am Freitag in Frankfurt mit. Er räumte aber ein: "Dennoch ist nicht alles richtig, was zulässig ist und üblich war. Aus diesem Grund werde ich Thyssen-Krupp die Differenz der Kosten der First-Class-Flüge zu Business-Klasse erstatten." Zudem werde er bei der 2013 anstehenden Wahl der Arbeitnehmerseite in den Aufsichtsrat des Industriekonzerns nicht mehr kandidieren. (mit dpa)