Essen. . Der Essener Stahl- und Technologiekonzern Thyssen-Krupp muss sich auf hohe Schadensersatzforderungen wegen der Beteiligung am Schienenkartell einstellen. Das NRW-Verkehrsministerium sammelt gerade die Schäden, die kommunalen Verkehrsunternehmen aus ganz Deutschland durch überhöhte Preise entstanden waren.

Auf den Stahlkonzern Thyssen-Krupp rollt eine Welle von Schadensersatzforderungen aus ganz Deutschland zu. Wie das zuständige Verkehrsministerium NRW auf Anfrage bestätigte, koordinieren sich derzeit die Bundesländer untereinander, wie sie Geld zurückfordern können, das sie wegen illegaler Preisabsprachen im Schienengeschäft zu viel an Thyssen-Krupp und andere Beteiligte des Schienenkartells gezahlt haben. Nach Angaben des Verkehrsministeriums sollen zudem Vertragsstrafen und allgemeiner Schadensersatz eingetrieben werden.

Zur Erinnerung: Im vergangenen Jahr ist ein Stahlkartell rund um die Thyssen-Krupp-Tochter GfT Gleistechnik und ­den österreichischen Konzern Voestalpine aufgeflogen, das die Preise im Geschäft mit Schienen und Weichen abgesprochen hatte. Vor allem die Deutsche Bahn wurde von den sogenannten „Schienenfreunden“ geschädigt. Dazu mussten kommunale Verkehrsbetriebe wie die EVAG aus Essen oder die Düsseldorfer Rheinbahn überzogene Preise an das Kartell zahlen. In etlichen Fällen lockten Angehörige der Schienenfreunde Mitarbeiter von Kommunalbetrieben in Bordelle, um dort zu feiern oder über Geschäfte zu sprechen. Eine Kartellkraft führte intern den Spitznamen „Nuttenprinz“, weil sie besonders aktiv im Gewerbe war. Die Staatsanwaltschaft Bochum ermittelt.

103 Millionen Euro Kartellstrafe

Erst im Juni verhängte das Bundeskartellamt gegen das Kartell eine Strafe von 124,5 Millionen Euro – von denen Thyssen-Krupp alleine 103 Millionen aufgebrummt bekam.

Wie hoch die Summen sind, die nun Kommunalbetriebe und Länder wiederhaben wollen, ist unklar. Ein Sprecher des NRW-Verkehrsministeriums teilte mit, bevor über Schadensersatz geredet werden könne, müsste erst der „hypothetische“ Marktpreis ohne Preisabsprachen ermittelt werden. Alles was über diesen Preis hinausginge, müssten Thyssen-Krupp und Co. zurückzahlen.

Bislang ist nur klar, wie viel Geld insgesamt in den NRW-Nahverkehr investiert wurde. Den Angaben zufolge flossen zwischen 1998 und 2011 über zwei Milliarden Euro in die Netze – davon ein Teil in Straßenbahnen oder in den Ausbau von Stadtbahnen. Dazu kommen Investitionen aus den anderen 15 Bundesländern.

Schadensersatzwelle kommt ins Rollen

In NRW sind vor allem die kommunalen Verkehrsbetriebe von den Absprachen betroffen. Den Angaben zufolge will das Land deshalb eigene Forderungen aus Schieneninvestitionen an die Kommunalbetriebe abgeben, damit diese gegen das Kartell vorgehen. Später soll ein möglicher Schadensersatz mit dem Land geteilt werden.

Um die Schadensersatzwelle zu koordinieren, will das Land mit den anderen Bundesländern und der Bundesregierung alle Informationen zum Schienenkartell austauschen, teilte das Verkehrsministerium mit. Auf Landesebene wurde zudem der Verkehrsverbund Rhein Ruhr (VRR) beauftragt, das Vorgehen der Kommunalbetriebe zu organisieren. Dabei soll der VRR nicht selbst Klage führen, sondern den Austausch der Verkehrsbetriebe fördern. Diese sollen in eigenem Namen juristisch gegen das Schienenkartell vorgehen und alle Informationen austauschen.

Keine Rücklagen bei Thyssen-Krupp

Ein Thyssen-Krupp-Sprecher sagte, derzeit seien einzelne Verkehrsbetriebe auf den Konzern zugekommen. „Allerdings ist es noch zu früh, um über konkrete Ansprüche zu reden.“ In diesem Zusammenhang gibt es auch Gespräche über den Ablauf von Verjährungsfristen. Rückstellungen für Schadensersatzansprüche hat ThyssenKrupp nicht gebildet. Nur für mögliche Bußgelder unter anderem im Geschäft mit kommunalen Unternehmen habe der Konzern die Summe von 30 Millionen Euro zurückgelegt. Neben den Ländern und den Kommunen hat bis jetzt die Deutsche Bahn angekündigt, von Thyssen-Krupp Schadensersatz in Millionenhöhe einzufordern.