Athen. Es ist kein einfacher Besuch für Angela Merkel. Für viele Griechen ist die Bundeskanzlerin die treibende Kraft hinter dem Sparzwang für Griechenland. Ihren Unmut zeigen sie durchaus drastisch: mit Hakenkreuzen, Steinen und Brandsätzen. Die Polizei setzte Tränengas gegen die Demonstranten ein.
Zum ersten Mal seit Beginn der griechischen Schuldenkrise vor gut drei Jahren ist Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag zu einem Kurzbesuch in Athen eingetroffen. Während die Kanzlerin zunächst mit Ministerpräsident Antonis Samaras zusammentraf, protestierten Rechte und Linke im Zentrum der griechischen Hauptstadt gegen Merkel, die sie als Verfechterin eines strengen Sparkurses für ihre Misere des Landes mitverantwortlich machen.
Bei den Protesten kam es zu Zusammenstößen zwischen Polizisten und Demonstranten. Die Sicherheitskräfte gingen im Zentrum der griechischen Hauptstadt mit Tränengas gegen Demonstranten vor, die Steine und Brandsätze warfen. Um die Menge zurückzudrängen setzten die Polizisten außerdem Schockgranaten und Pfefferspray ein. Die Auseinandersetzungen spielten sich wenige Hundert Meter von dem Gebäude entfernt ab, in dem Merkel mit Ministerpräsident Antonis Samaras über die Schuldenkrise des südosteuropäischen Euro-Landes sprach.
Schon Stunden vorher hatte es auf dem Syntagma-Platz in Athen Proteste gegeben. Einige Demonstranten trugen dabei Plakate mit Hakenkreuzen und Aufschriften wie "Nein zum Vierten Reich" oder "Sie sind nicht willkommen, Imperialisten raus". Mehr als 45 Menschen wurden festgenommen, unter anderem ein Mann, der sich der abgesperrten deutschen Botschaft nähern wollte.
Die Kanzlerin fordert weiter einen strengen Sparkurs von Griechenland
Merkel will bei ihrem Kurzbesuch den Hellenen ihre Unterstützung ausdrücken und sie zugleich an die eingegangenen Verpflichtungen erinnern. "Gutes Wirtschaften und Solidarität" sei die beste Kombination für die Zukunft Europas, sagte sie. Als Verfechterin eines strengen Sparkurses ist Merkel in Teilen der griechischen Bevölkerung sehr umstritten. Linke und nationalistische Parteien machen ihren Kurs für die seit Jahren anhaltende Rezession mitverantwortlich. An den Protesten der Linken in Athen nimmt auch der Chef der deutschen Linkspartei Bernd Riexinger teil.
Der deutsch-griechische FDP-Politiker Chatzimarkakis erhofft sich von Merkels Reise ein menschliches Signal an die Hellenen. "Die Kanzlerin hat im Sommer davon gesprochen, dass ihr 'Herz blutet', wenn sie etwa an die griechischen Rentner denkt", sagte der Europaparlamentarier. "Diese mitfühlende, christliche Empathie ist in Griechenland gut angekommen und wäre auch das absolut beste Signal für Ihre Reise."
Deutscher Politiker der Linken beteiligt sich an den Protesten in Athen
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) knüpfte weitere Zugeständnisse der Europartner an die Umsetzung von Reformen in Griechenland. "Der Besuch der Bundeskanzlerin zeigt, dass wir nach wie vor zur Solidarität bereit sind, allerdings gilt ebenso nach wie vor, dass die zugesagten Reformen auch umgesetzt werden müssen", sagte er der "Rheinischen Post".
Linke-Chef Bernd Riexinger, der in Athen an Protesten gegen Merkel teilnehmen wollte, warnte vor verheerenden Folgen weiterer Sparprogramme. Alle bisherigen Hilfsprogramme seien mit Auflagen verbunden, etwa die Renten und Löhne zu senken und öffentliches Eigentum zu verkaufen, sagte er im ARD-"Morgenmagazin". "Das ist keine Perspektive, die den Menschen wirklich hilft."
Die Eurogruppe hatte Griechenland zuvor eine Frist von zehn Tagen zur Einhaltung seiner Sparversprechen gesetzt. Vor der Freigabe der nächsten Notkredite sollte das Land "spätestens bis zum 18. Oktober die schon im März vereinbarten Maßnahmen umsetzen", sagte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker am Montagabend nach Beratungen der Euro-Finanzminister in Luxemburg. Das Land braucht spätestens Mitte November weitere 31,5 Milliarden Euro aus dem zweiten Rettungsprogramm, um nicht in die Pleite zu rutschen. Juncker forderte eine Entscheidung zu Griechenland "in den kommenden Wochen". (dapd/afp)