Athen. . Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Griechen aufgefordert, bei dem „schweren Weg“ der Reformen zu bleiben. „Es ist vieles geschafft, es ist noch Etliches zu tun“, sagte sie nach einem Gespräch mit Ministerpräsident Antonis Samaras in Athen. Merkel würdigte die bereits von den Griechen erbrachten Opfer und bekräftigte, das Land solle trotz der Krise den Euro behalten.

Der Luftwaffen-Airbus mit Angela Merkel und ihrer Delegation hatte den griechischen Luftraum noch nicht erreicht, da entrollte eine Demonstrantin vor dem Parlamentsgebäude am Syntagmaplatz das erste Transparent: „Frau Merkel, get out!“ Aber das bekam die Kanzlerin ebenso wenig zu sehen wie die Spruchbänder der kommunistischen Partei, die zum „Volksaufstand gegen die Sparpolitik“ aufriefen.

Während sich die Demonstranten zu Zehntausenden vor den Polizeisperren drängten, mit denen das Athener Regierungsviertel abgeriegelt war, bekam die Kanzlerin auf dem Athener Flughafen einen großen Bahnhof geboten: Nicht nur Regierungschef Antonis Samaras war zum Flughafen gekommen, um sie zu begrüßen. Gleich vier Kabinettsmitglieder standen Spalier.

Besuch mit Symbolgehalt

Mit dem Empfang unterstrich Samaras, welche Bedeutung er dem Besuch der Kanzlerin beimisst. Samaras wusste zwar schon vor Merkels Ankunft: Die Kanzlerin bringt weder Geld mit noch deutsche Investitionen. Aber ihr Besuch unterstreicht: Sie will alles tun, um Griechenland in der Eurozone zu halten. Samaras wusste auch: Eine Zusage Merkels zu der von Griechenland gewünschten Streckung des Konsolidierungsprogramms konnte er von Merkel nicht erwarten – allenfalls Verständnis.

Und das zeigte Merkel. Bei ihrem Auftritt mit Samaras vor der Presse attestierte sie den Griechen, sie hätten bereits ein großes Stück des Weges zurückgelegt. Es gebe auf diesem harten Weg „jeden Tag Fortschritte“, lobte Merkel. „Es ist vieles geschafft“, erklärte die Kanzlerin – fügte aber auch hinzu: „Es ist noch etliches zu tun.“

Schulz kritisiert aufgeheizte Stimmung gegen Kanzlerin

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, bezeichnete Merkels Griechenlandbesuch als "richtiges Signal, die Eurozone zusammenzuhalten". Er sei froh, dass Merkel nach Athen gereist ist. Schulz betonte allerdings auch, dass das Versprechen der Kanzlerin für deutsche Hilfen für Griechenland "kein Blankoscheck" sei. Er wertete es als "Akt der Vernunft – ein Entgegenkommen und Anerkennung für die enormen Anstrengungen, die das Land unternommen hat und noch unternehmen wird".

Harsche Kritik übte Schulz an der aufgeheizten Stimmung rund um den Besuch der Kanzlerin. "Ich finde es unerträglich, dass die Regierungschefin meines Landes mit Nazi-Vergleichen überzogen wird", sagte er.

Samaras verspricht Fortschritte

Samaras versicherte, sein Land werde die Reformzusagen und die Verpflichtungen gegenüber den Geldgebern einhalten. Das griechische Volk sei entschlossen, in der Eurozone zu bleiben. Samaras: „Alle, die darauf gewettet haben, dass Griechenland untergeht, werden diese Wette verlieren“. Die deutsche Kanzlerin sei als Freundin Griechenlands nach Athen gekommen, unterstrich der griechische Premier.

Zwischen Samaras und Merkel mag sich ein politischer Flirt anbahnen. Für viele Griechen aber bleibt die Kanzlerin ein rotes Tuch, eine Hassfigur. Sie sehen in der „eisernen Kanzlerin“ jene Frau, die Griechenland besonders harte Sparmaßnahmen diktiert. Merkel kam in ein Land, das am Boden liegt: Griechenland geht ins sechste Jahr der Rezession, seit Beginn der Krise hat das Land mehr als ein Viertel seiner Wirtschaftskraft verloren. Jeder vierte Grieche ist ohne Arbeit, unter den Jugendlichen sogar mehr als jeder Zweite. Darin liegt sozialer Sprengstoff.

Athen im Ausnahmezustand

Entsprechend drakonisch waren die Sicherheitsmaßnahmen. Athen befand sich gestern im Ausnahmezustand. Die Flughafenautobahn wurde komplett gesperrt, um der Wagenkolonne der Kanzlerin freie und sichere Fahrt zu gewährleisten. Im Zentrum der Viermillionenstadt waren weder Privatwagen noch öffentliche Verkehrsmittel unterwegs, die U-Bahn-Stationen blieben geschlossen. Im Regierungsviertel wurden nicht mal Fußgänger geduldet. 7000 Polizisten waren aufgeboten, um die Kanzlerin zu schützen. Solche Sicherheitsvorkehrungen gab es nicht einmal beim Besuch von US-Präsident Bill Clinton 1999.

Die Kanzlerin mag den Griechen mit mehr Verständnis begegnen als noch vor einigen Monaten, aber an den harten Fakten ändert dieser Besuch nichts. Griechenland hat einen langen Weg vor sich, Athen bleibt unter Druck: Die Euro-Finanzminister lobten bei ihrem Treffen am Montagabend zwar „bedeutende Fortschritte in Griechenland“, fordern aber „weitere Anstrengungen“.

Unerledigte Reformen

Bis zum EU-Gipfel in zehn Tagen soll Griechenland endlich das neue Sparpaket schnüren sowie 89 Reformschritte umsetzen, die teils seit vielen Monaten unerledigt sind. Nur dann kann Griechenland mit der Auszahlung der nächsten Kreditrate von 31,5 Milliarden Euro rechnen. Ohne das Geld sei das Land spätestens Ende November pleite, warnte Samaras.