Düsseldorf. . Rot-Grün in NRW will bis 2026 alle privaten Abwasserkanäle einer Dichtheitsprüfung unterziehen. Hausbesitzer sollten allerdings nichts überstürzen und lieber auf genaue Anweisungen der Kommune warten. Wir haben die wichtigsten Fragen zum Thema zusammengetragen.
Der umstrittene „Kanal-TÜV“ sorgt bei den 3,5 Millionen Hauseigentümern in NRW seit Monaten für Ärger und Verunsicherung. Jetzt zeichnet sich ab, dass die rot-grüne Landesregierung bis 2026 ausnahmslos alle Eigenheimbesitzer zur Durchleuchtung ihrer Abwasserrohre verpflichten will. Die wichtigsten Fragen zum Thema:
Was hat es mit dem Kanal-TÜV auf sich?
Paragraf 61a des Wasserhaushaltsgesetzes in NRW von 1995 schreibt vor, dass Hausbesitzer die rund 200.000 Kilometer private Abwasserkanäle auf Dichtigkeit überprüfen müssen, damit keine Fäkalien oder Arzneimittelrückstände ins Grundwasser gelangen. Dieser Kanal-TÜV sollte eigentlich flächendeckend bis 2015 erfolgen. Einige Kommunen hatten in ihren Satzungen bereits je nach Stadtbezirk Zeiträume definiert, in denen Hausbesitzer eine Durchleuchtung veranlassen sollten. Andere Stadtverwaltungen blieben passiv.
Warum kocht die Diskussion ausgerechnet jetzt hoch?
Eine Landtagsmehrheit aus CDU, FDP und Linkspartei hatte sich im vergangenen Jahr für die Aussetzung der Kanalprüfungen stark gemacht. Hauptargument: Die Umweltgefährdung durch private Abwässer ist nicht hinreichend belegt, der Kanal-TÜV zu teuer und bürokratisch. Unter dem Druck der Oppositionsmehrheit stellte NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) noch im Januar Ausnahmen für Ein- und Zweifamilienhäuser in Aussicht. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) äußerte sich im Wahlkampf ähnlich. Nach dem Wahlsieg im Mai kehrt Rot-Grün jedoch zu einer flächendeckenden Prüfpflicht zurück, wenngleich mit großzügigeren Fristen.
Was plant Rot-Grün?
Die Umweltexperten von SPD und Grünen im Landtag feilen an einem Konzept, das spätestens nach den Herbstferien verabschiedet werden soll. Ein ursprünglich festgelegter Einigungstermin am 25. September ist nicht zu halten. Tenor: Bis 2026 sollen ausnahmslos alle privaten Abwasserkanäle mindestens einmal geprüft worden sein. Bei Häusern in Wasserschutzgebieten gelten deutlich kürzere Fristen. Nächster Prüftermin wäre wieder 20 Jahre später. Ob es ins Ermessen der Kommunen gestellt wird, die Prüfzeiträume nach Stadtvierteln bis 2026 zu staffeln, ist noch unklar.
Es soll eine „Sozialklausel“ geben, damit Eigentümer mit hohen Sanierungskosten durch Förderprogramme des Landes unterstützt werden. Wer seine Schmutzwasserleitungen bereits einer Kontrolle unterzogen hat, soll eine Zeitgutschrift bei den Prüffristen erhalten.
Wie umfangreich und teuer ist eine Überprüfung?
Beim Kanal-TÜV führen zertifizierte Unternehmen eine Kamera über den Revisionsschacht in die Abwasserleitung, die bis zur öffentlichen Kanalisation führt. Per Infrarotbild sollen Risse aufgespürt werden. Anhand eines Bildreferenzkatalogs werden anschließend Schäden klassifiziert. Der Trümmerbruch eines alten steinernen Abwasserrohrs muss binnen zwölf Monaten repariert werden. Bei kleineren Schäden gibt es bis zu fünf Jahre Sanierungszeit. Bagatellschäden müssen nicht behoben werden.
Die reine Durchleuchtung per Kamera kostet nach Branchenangaben rund 250 Euro, Kritiker hingegen sprechen von 800 Euro. Die Sanierung schlägt laut Experten im Schnitt mit etwa 190 Euro pro Meter zu Buche. Die Kosten hängen jedoch von der Größe des Grundstücks und der Schwere des Schadens ab. Reparaturen sind im „Inline-Verfahren“ (Rohr im Rohr) möglich, so dass nicht der Bagger den Vorgarten aufreißen muss.
Wer ist betroffen?
Alle 3,5 Millionen Hauseigentümer in NRW. Mieter bleiben außen vor, da die Funktionstüchtigkeit des Abwasserkanals Bestandteil des Mietvertrags ist und der Vermieter Kosten für den Kanal-TÜV nicht umlegen darf. Eigentümergemeinschaften teilen sich den Aufwand.
Was sollen Hausbesitzer jetzt tun?
Ruhe bewahren und zunächst einmal auf genaue Fristen warten. Rot-Grün muss die Neufassung des Wasserhaushaltsgesetzes im Herbst durch den Landtag bringen und anschließend Klarheit über die Ausführungsbestimmungen in den Kommunen schaffen. Bis dahin gilt: Keine Haustürgeschäfte abschließen, sich nur an Vorgaben der eigenen Stadtverwaltung halten und im Zweifel mehrere Angebote einholen. Bei Neubauten möglicherweise Gewährleistungsfristen beachten.