Berlin. Die Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo und die Lufthansa führen noch am Freitagnachmittag in Frankfurt erste Sondierungsgespräche in ihrem erbittert geführten Tarifstreit. An den Gesprächen nähmen Ufo-Chef Nicoley Baublies und Lufthansa-Passagevorstand Peter Gerber teil, sagte ein Ufo-Sprecher am Freitagmittag.
Die Lufthansa und die Flugbegleitergewerkschaft UFO wollen noch am Freitagabend erneute Gespräche zur Beilegung ihres Tarifkonflikts aufnehmen. "Ein erstes Spitzentreffen ist für heute verabredet", sagte der UFO-Vorsitzende Nicoley Baublies am Mittag auf dem Frankfurter Flughafen.
Der bundesweite Flugbegleiter-Streik bei der Lufthansa hat am Freitag erste Bewegung in die verhärteten Fronten gebracht. Der Vorsitzende der Gewerkschaft UFO, Nicoley Baublies, brachte eine Schlichtung ins Gespräch und versprach, in den nächsten Tagen nicht streiken zu wollen. Obwohl nach Lufthansa-Zählung rund 1.000 Flüge ausfielen und mehr als 100.000 Fluggäste betroffen waren, blieb ein Chaos an Flughäfen und Bahnhöfen aus.
Die Unabhängige Flugbegleiterorganisation UFO hatte am Dienstagabend einen bundesweiten ganztägigen Streik für Freitag angekündigt. Daraufhin setzte die Lufthansa einen Sonderflugplan in Kraft, der die Streichung von 1.200 der rund 1.800 Flüge vorsah. Das teilte sie übers Internet und mit bisher 60.000 SMS und E-Mails ihren Kunden mit, die damit Zeit zum Ändern ihrer Reisepläne hatten.
Die Lufthansa aktualisierte am Morgen ihre Angaben. Es sei möglich geworden, die Hälfte und nicht nur wie befürchtet, ein Drittel aller Flüge abzuwickeln, sagte ihr Sprecher Peter Schneckenleitner. Das sind etwa 900 bis 1.000 Verbindungen. Auch auf der Streichliste für Samstag standen am Freitagmittag 19 Verbindungen.
"Eine dritte Person einzuladen, ist wohl das Beste"
Baublies sprach sich am Morgen am Frankfurter Flughafen für ein Schlichtungsverfahren aus. "Zu den Gesprächen eine dritte Person einzuladen, ist wohl das Beste", betonte er. Erste Meldungen, man habe sich bereits auf das Schlichtungsverfahren geeinigt, relativierten beide Seiten allerdings im Laufe des Vormittags. Im ZDF-"Morgenmagazin" sagte Baublies, nun sei eine "Denkpause" notwendig. "Es ist wie bei einer Paartherapie. Wir sind verdammt, zusammenzukommen."
Nach dem Ausstand am Freitag werde es weitere Streiks erst geben, "wenn wir feststellen, dass eine Annäherung tatsächlich nachhaltig nicht möglich ist", versicherte der UFO-Vorsitzende.
Konzernsprecher Klaus Walther sagte, dem Unternehmen sei schon jetzt Schaden in zweistelliger Millionenhöhe entstanden. "Die 50 Millionen Euro, die uns der Pilotenstreik vor zwei Jahren gekostet hat, sind aber noch nicht erreicht."
UFO fordert fünf Prozent Entgeltverbesserung und Schutz vor Leiharbeit und Jobauslagerungen. Lufthansa hatte zuletzt 3,5 Prozent mehr Lohn über drei Jahre angeboten. "Wir müssen an den Tisch zurück, das ist jetzt Konsens", sagte Baublies. Lufthansa habe "eingeräumt, unsere Schlagkraft unterschätzt zu haben". Das hatte auch Lufthansa-Vorstandschef Christoph Franz am Donnerstagabend im ZDF eingeräumt.
Kunden suchten sich andere Wege
Dem Konkurrenten Air Berlin bescherte der Streik bei der Lufthansa zusätzliche Kunden. Die Fluggesellschaft habe sechs zusätzliche innerdeutsche Verbindungen angeboten, sagte eine Unternehmenssprecherin. Außerdem setzte Air Berlin in 16 Fällen größere Flugzeuge als geplant ein, die zwischen 12 und 42 zusätzliche Sitzplätze bieten.
Viele Lufthansa-Kunden stiegen auch auf die Deutsche Bahn um. Sie rechnete für Freitag mit 10.000 zusätzlichen Kunden. Die Mietwagenfirmen registrierten eine etwas erhöhte Nachfrage wegen des Streiks und stockten für das Wochenende ihre Flotte vorsorglich auf, wie Sprecher von Sixt und Europcar erklärten.
Lufthansa verschickt 60.000 Streik-Infos per SMS und Mail
Der Streik der Flugbegleiter stellt die Lufthansa in der Kundenkommunikation vor Herausforderungen. Seit der Streikankündigung am Mittwochabend sind nach Konzernangaben insgesamt 60.000 SMS und E-Mails an von Umbuchung oder Stornierung betroffene Kunden verschickt worden. "Wenn wir Flüge streikbedingt schon nicht durchführen können, ist es uns wichtig, dass wenigstens der Fluggast möglichst frühzeitig informiert wird", sagte Lufthansa-Sprecher Boris Ogursky am Freitag auf dapd-Anfrage.
Bedingung für eine Inanspruchnahme des SMS-Service sei, dass der Kunde zuvor freiwillig seine Handynummer im Kundenprofil hinterlegt habe. Auch die Telefonhotline sei "immer noch warm", ergänzte der Sprecher. Der telefonische Service unter der kostenlosen Rufnummer 0800 - 8 50 60 70 werde seit Streikbeginn "stark nachgefragt". In den Call-Centern würden derzeit mehr Mitarbeiter eingesetzt, um das erhöhte Anfrageaufkommen zu bewältigen, sagte der Sprecher. (dapd)
Die Flugreisenden gehen in Düsseldorf entspannt mit dem Streik um
Harald Kraus ist hörbar ungehalten. "Das ist ein Unding! Ich muss heute nach Hause, meine Kunden warten", schimpft der Familienvater aus Heidelberg am Freitag um 7.30 Uhr im Terminal A des Düsseldorfer Flughafens. Er kommt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern gerade aus Atlanta, die gebuchten Anschlussflüge der Familie nach Frankfurt fallen wegen des Streiks der Flugbegleiter der Lufthansa aus.
Seit 6.00 Uhr stehen rund drei Dutzend streikende Mitarbeiter des Lufthansa-Kabinenpersonals vor der Tür des Terminals. Viele haben Schilder und Transparente mitgebracht. "Wir wollen keine Frust-Hansa" ist zu lesen und: "Liebe Gäste, auch heute wären wir gerne mit ihnen geflogen". Mit hastigen Schritten eilen die Reisenden an den Frauen und Männern in den grellgelben Neonwesten mit der Aufschrift "Streik" vorüber. Kommentare der Fluggäste sind nicht zu hören. "Wir sind schon der Typ Mensch, der mitleidet, wenn die Gäste Probleme haben", sagt Tamara Eßer, die seit 1999 für die Lufthansa über den Wolken arbeitet und fügt hinzu: "Wir haben diesen Job ja deshalb, um den Leuten zu helfen."
Kein gutes Geschäft für die Mietwagenfirmen
Im Terminal A des drittgrößten Flughafens der Bundesrepublik herrscht am Freitag Ruhe, nirgendwo sind größere Gruppen wartender oder ratloser Passagiere zu sehen. "Die Situation ist entspannt, es ist ein unaufgeregter Tag", sagt der Sprecher des Düsseldorfer Flughafens, Thomas Kötter. Viele Reisende haben sich offenbar auf den Ausstand eingestellt. "Wir haben bundesweit rund 66.000 SMS und E-Mails an die Kunden verschickt, um sie über den Streik zu informieren", berichtet Lufthansa-Sprecher Martin Riecken, der in Sichtweite des Ticket-Schalters seines Arbeitgebers steht. Er kann sehen, wie eine Putzfrau in Seelenruhe die Check-in-Automaten im Abflugbereich putzt. Eine gute Gelegenheit, denn die Geräte sind verwaist.
Wegen des ganztägigen Streiks der Flugbegleiter bei der Lufthansa sind an den großen NRW-Flughäfen mehr als 180 Flüge gestrichen worden. In Düsseldorf sagte die Fluglinie für Freitag 143 von 180 Verbindungen ab, wie Flughafen-Sprecher Kötter mitteilte. In Köln/Bonn wurden den Angaben zufolge 38 An- und Abflüge annulliert.
Ein Stockwerk tiefer auf der Ankunftsebene herrscht auch an den Schaltern der Mietwagenfirmen gähnende Leere. "Es ist geheimnisvoll ruhig. Noch gibt es genügend Autos auch für Kunden, die nicht reserviert haben", sagt Evelyn Halbner von Sixt. "Viele haben die Mietverträge einfach verlängert, das ist zwar teurer, aber so bleiben die Leute mobil", erzählt Susanne Rosenau von Avis.
Viele Flugbegleiter hängen im Ausland fest
Die streikenden Flugbegleiter vor der Tür frösteln bei 12 Grad Celsius. Irgendjemand hat Kaffee besorgt, zum Frühstück gibt es Schokoladenmuffins und Gummibärchen. Hinter der Gruppe stehen Trolleys und Kühltaschen, der Streik soll schließlich den ganzen Tag andauern. "Rund 450 Flugbegleiter gehören zur Lufthansa-Station in Düsseldorf", erzählt Holger Lange. Dass nur so wenige zu sehen sind, hat einen Grund: "Ein großer Teil von uns ist gestrandet und sitzt irgendwo im In- und Ausland fest", erläutert Steffi Jünemann, die seit 16 Jahren fliegt.
Harald Kraus aus Heidelberg ist weiter zornig. Mit badischem Tonfall schimpft der Chef eines Partyservice: "Wer braucht eigentlich Flugbegleiter? Die sollen ein Büfett hinstellen, das reicht." Die Kinder Nicole und Timo sind müde und können erst wieder lächeln, als ihre Mutter Ute mit triumphierendem Gesicht vom Lufthansa-Ticketschalter zurückkommt. "Ich habe vier Gutscheine für den Zug bekommen, auf geht's, Abfahrt ist um 8.59!"
Jetzt hellt sich auch die Stimmung von Vater Harald Kraus auf. Die Familie eilt zum Bahnhof und hat auf diesem Weg keinen Blick für den Worldshop Lufthansa. Dort hängt ein aufblasbarer Airbus A 380 an der Decke, symbolisch hängen die weißen Tragflächen schlapp herunter. Dies ist kein guter Tag für die Lufthansa. (dapd)