Essen. . Für die Produktion von Biokraftstoffen werden zu viele potentielle Lebensmittel genutzt. Dieser Meinung ist Entwicklungsminister Dirk Niebel. Damit bekommt die Diskussion über das umstritten E10 neue Nahrung. Nach steigenden Lebensmittelpreisen wird jetzt auch über eine Gesetzesänderung diskutiert.

Angesichts der rasant steigenden Preise für Getreide und Brot geht die Debatte um Biosprit weiter. Nachdem bereits Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) in der „Tank oder Teller“-Diskussion einen Verkaufstopp des E10-Kraftstoffs gefordert hatte, legte nun FDP-Generalsekretär Patrick Döring nach.

„Dass wir wertvolles Ackerland mit Pflanzen bebauen, aus denen Biosprit und Biogas hergestellt werden, ist weder sinnvoll noch nachhaltig“, sagte Döring der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS). Er warnte vor einer „Verknappung von Ackerland“ und einer „Vermaisung“ landwirtschaftlicher Flächen.

Vergangene Woche hatten Meldungen über US-Ernteausfälle bei Weizen, Soja und Mais die Verbraucher aufgeschreckt. Der Weltmarktpreis für Getreide schoss in die Höhe. Hauptgrund für die Ernteausfälle ist eine schwere Dürre. Da aber 40 Prozent der US-Maisvorkommen zur Herstellung von Biosprit genutzt werden und dann für Lebensmittel fehlen, bekam die Diskussion um Biokraftstoffe neue Nahrung.

Auch aus der Wirtschaft kommt Kritik

Auch aus der Wirtschaft gibt es Kritik: Der Chef des Lebensmittelkonzerns Nestlé, Peter Brabeck, sprach sich in der Schweizer „Sonntagszeitung“ für ein Beimischungsverbot von Nahrungsmitteln bei der Spritproduktion aus. Die Hersteller sollen andere organische Materialien verwenden. Die Fraktionschefin der Grünen, Renate Künast, kritisierte, dass „mit öffentlichen Geldern Monokultur und Raubbau gefördert werden“. Sie forderte, alle staatlichen Anreize für den Maisanbau abzuschaffen.

Dem hielt jedoch Bundesumweltminister Peter Altmaier entgegen, dass Biomasse „ein sehr vielseitiger und zuverlässiger erneuerbarer Energieträger“ sei, der eine „wichtige Rolle für die zukünftige Energieversorgung unseres Landes spielt“. Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Christian Ruck (CSU) wies darauf hin, dass die Bioenergie nicht der Grund für den Hunger in der Welt sei. Dem stimmte Elmar Baumann, Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie, zu. „Die Ursachen für Hunger sind Bürgerkriege, Korruption und vor allem Armut“, schrieb er in der „Bild am Sonntag“.

Entwicklungsminister Dirk Niebel will E10 Produktion stoppen 

Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hält an seiner Forderung nach einem Produktionsstopp für den Biokraftstoff E10 fest. Die Produktion von E10 solle eingestellt werden, bis es möglich sei, dass "die essbaren Teile einer Pflanzen Menschen zur Nahrungssicherung zur Verfügung stehen, und die nicht essbaren für die Energieversorgung", sagte der Minister am Montag in Berlin. Konkrete politische Schritte zu einem E10-Verbot will Niebel allerdings offenbar vorerst nicht einleiten: "Wir führen erstmal eine spannende öffentliche Diskussion", sagte er.

Niebel bekräftigte am Montag vor allem seine moralischen Einwände gegen die E10-Produktion. Er sei der festen Überzeugung, dass die starren Beimengungsvorschriften der Bundesrepublik, aber auch der USA dazu führen, dass Lebensmittelpreise "exorbitant steigen", sagte der Minister.

Deutschland befinde sich bei der Lösungssuche in einer Vorreiterrolle

Gerade die Ärmsten hätten angesichts der Preissteigerungen keine Möglichkeit, sich Lebensmittel zu kaufen, hatte Niebel zuvor im ZDF-"Morgenmagazin" gesagt. "Unsere Aufgabe muss es sein, dass die nächste Trockenheit nicht wieder zu einer Hungerkatastrophe führt." Die Bundesrepublik befinde sich bei der Suche nach Lösungen in einer Vorreiterrolle: Deutschland sei eine Nation, "auf die geachtet wird".

Die Spitze von Niebels Partei, der FDP, will derzeit allerdings weder konkret einen Produktionsstopp noch ein Verbot von E10 in die Wege leiten. "Wir werden keine Politik der Ad-hoc-Entscheidung machen", sagte FDP-Generalsekretär Patrick Döring nach der Sitzung des FDP-Präsidiums am Montag in Berlin.

Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes möglich

Die kritische Haltung der FDP zur Beimischung von Biokraftstoffen sei aber "hinreichend bekannt", sagte Döring. Die Partei wolle sich allerdings "im großen Kontext ihrer energiepolitischen Ausrichtung" mit dem Thema befassen. Denkbar sei es, die Problematik im Rahmen einer Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes einzudämmen.

Niebel will seiner aktuellen Kritik an E10 zum Trotz auf Sicht an der Energieerzeugung aus Biomasse festhalten. Biomasse werde ein "Zukunftsenergieträger" sein, sagte er. "Ich bin fest davon überzeugt, dass die weiteren Anstrengungen in der Agrarforschung dazu beitragen werden, dass modernere Wege der Energieversorgung gefunden werden", sagte Niebel.

Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie warf Niebel fehlende Sachkenntnis vor

Auch die Linke forderte am Montag ein Ende des Biosprits E10. "Die Ölriesen haben E10 missbraucht, um weiter an der Preisschraube zu drehen und Extraprofite einzustreichen", sagte der Parteivorsitzende Bernd Riexinger der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Nach der "erbärmlichen Bilanz" für die Umwelt durch E10 dürften die Verbraucher jetzt nicht weiter geschröpft werden. "Künftig brauchen wir eine behördliche Genehmigungspflicht für Benzinpreiserhöhungen", bekräftigte Riexinger die Kritik seiner Partei an der Preisbildung auf dem Treibstoffmarkt.

Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) warf Niebel hingegen fehlende Sachkenntnis vor. Bei der Ethanolproduktion werde etwa ein Drittel der Getreidefrucht zu Tierfuttermittel verarbeitet und diene damit direkt der Nahrungsmittelerzeugung. Mangels fachlicher Grundlage sei Niebels Forderung nichts als ein Profilierungsversuch, sagte Verbandsgeschäftsführer Elmar Baumann. (Christopher Shepherd mit dapd)