Berlin. . Wenn die Europäische Zentralbank Staatsanleihen kriselnder Euro-Länder kauft, steigt das Inflationsrisiko. Deshalb fürchtet Angela Merkel diese Maßnahme. Geldentwertung schmälert die Kaufkraft, bietet aber auch Spielraum für höhere Löhne und die Entschuldung innerhalb der EU.
Die Europäische Zentralbank bereitet eine koordinierte Aktion vor, um Staatsanleihen angeschlagener Euro-Länder zu erwerben und deren Schuldzinsen zu drücken. Letztlich geht es darum, Spanien und Italien vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren.
Warum sind Anleihekäufe problematisch?
Erstens: Kritiker wie Bundesbankpräsident Jens Weidmann befürchten, dass als unerwünschter Nebeneffekt die Inflation steigen könnte. Denn mit ihren Anleihekäufen setzt die EZB Hunderte Milliarden Euro zusätzlichen Geldes in die Welt. Steigt die Geldmenge beispielsweise im Verhältnis zur Menge der produzierten Waren zu sehr an, können die Preise stärker anziehen und der Außenwert des Euro sinken.
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Zweitens führen die Kritiker ins Feld, dass die europäischen Verträge der EZB verbieten, Regierungen zu finanzieren. Im Vertrag über die Arbeitsweise der EU heißt es in Artikel 123, „der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln durch die EZB“ sei untersagt. Nun will die Zentralbank die Staatsanleihen jedoch nicht direkt bei den verschuldeten Regierungen kaufen, sondern bei Banken und Händlern. Damit nutzt EZB-Präsident Mario Draghi eine Möglichkeit, die nicht explizit ausgeschlossen ist.
Heizt die EZB die Inflation an?
Die EZB will die Inflation möglichst niedrig halten. Zwei Prozent sollen nicht überschritten werden. Die tatsächliche durchschnittliche Preissteigerung im Euro-Raum liegt mit 2,6 Prozent etwas darüber. Muss man mit mehr rechnen? Thomas Straubhaar, Chef des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitutes, meint „vorläufig nein“. Die Erfahrungen der Hyperinflation der 1920-er Jahre ließen sich nicht auf heute übertragen, so Straubhaar.
Seine Argumente: Gegenwärtig deute nichts darauf hin, dass die Geldmenge in Europa gefährlich steige. Ende 2011 habe sie gegenüber dem Vorjahr bei plus 2,6 Prozent gelegen – trotz des Kaufs von Staatsanleihen durch die EZB. Sollte sich das ändern, kann die Zentralbank den Geschäftsbanken beispielsweise weniger Kredite zur Verfügung stellen und damit die Menge der umlaufenden Liquidität verringern. Das hat bisher geklappt.
Zusätzlich, so Straubhaar, nehme die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes gegenwärtig ab. Bürger und Unternehmen würden zur Sicherheit mehr Mittel in Reserve halten. Auch das wirkt inflationshemmend.
Und langfristig? Die Anleihekäufe der EZB müssten die Ausnahme bleiben, meint Straubhaar. Sonst nehme die Inflationserwartung von Bürgern, Firmen und Investoren zu, wodurch ebenfalls die Gefahr der Preisspirale wachse.
Welche negativen Wirkungen hat Inflation?
Bei einem mittleren Arbeitnehmereinkommen von 40 000 Euro jährlich bedeuten zwei Prozent Inflation einen Kaufkraftverlust von 800 Euro im Jahr – falls der Verdienst nicht zulegt. Anders gesagt: Wegen der Preissteigerung braucht man für den Kauf ähnlicher Waren wie im Jahr zuvor nun 800 Euro mehr. Die Inflation knabbert auch an Lebensversicherungen, Sparguthaben, Aktien- und Wertpapierrenditen. Und nicht zuletzt an den Altersrenten. Wer mit einer monatlichen Rentenzahlung von 1000 Euro rechnet, muss einkalkulieren, dass die spätere Kaufkraft vielleicht nur zwei Drittel des Nominalbetrages ausmacht.
Gibt es auch Vorteile?
Im Zusammenhang mit Preissteigerungen können die Löhne und Gehälter wachsen. Gegenwärtig verbuchen viele Beschäftigte in Deutschland Lohnsteigerungen, die über der Inflationsrate liegen – sie haben real mehr Geld auf dem Konto. US-Ökonom Paul Krugman betont außerdem, dass eine großzügige Geldpolitik Ländern wie Spanien helfe. Sie würden dadurch dem Teufelskreis aus Sparen und zunehmender Arbeitslosigkeit entkommen. Die Nachfrage steige, die Wirtschaft habe eine Chance, sich zu erholen. Zusätzlich bedeutet Inflation auch, dass der Wert alter Schulden abnimmt. Die Regierungen Deutschlands, Spaniens oder Italiens drücken damit regelmäßig die Last ihrer früher aufgenommenen Kredite.
Stellt die EZB den Südstaaten nicht eine Lizenz zur Verschuldung aus?
Die Anleihekäufe und Hilfskredite an die bedrohten Euro-Mitglieder bilden nur die eine Seite der Medaille. Andererseits setzen die Regierungen den Fiskalpakt in Kraft, der ihre Neuverschuldung eng begrenzt. Man kann davon ausgehen, dass die Euro-Staaten ihre Staatsfinanzen auf diese Art allmählich stabilisieren.
Gibt es eine Alternative zu den Anleihekäufen?
Die EZB handelt, weil die bisherigen Maßnahmen der europäischen Regierungen nicht ausreichen. Unter anderem die Bundesregierung lehnt die Ausgabe gemeinsamer europäischer Staatsanleihen ab, die die hohen Zinsen der Südländern drücken könnten – entgegen der Empfehlung des Rates der Wirtschaftsweisen. Der Sachverständigenrat schlägt vor, dass die Euro-Staaten ihre über 60 Prozent der Wirtschaftsleistung hinausgehenden Schulden in einen Fonds einbringen, diese gemeinsam refinanzieren und tilgen. Die Bundesregierung und die deutschen Steuerzahler würden für einen weiteren Teil der spanischen und italienischen Schulden geradestehen.