Essen. . Kurswechsel bei RWE: Ab 1. Juli ist der Niederländer Peter Terium Chef. Zwei Wochen vor Amtsantritt machte er schon mal eine kräftige Ansage: Der Energiekonzern werde keinen Cent mehr in AKW-Neubauten investieren. Stattdessen werden demnächst mit Stadtwerken auch in Deutschland Solarparks gebaut.

Der Energiekonzern RWE verabschiedet sich mit dem Führungswechsel von Jürgen Großmann zu Peter Terium vom Atomkurs. Am 1. Juli übernimmt der Niederländer Terium den Vorstandsvorsitz. Kaum ein anderer Spitzenmanager der Branche hat sich so für Kernenergie ins Zeug gelegt wie Großmann. Er war eine treibende Kraft in Richtung Laufzeitverlängerung, die bereits wieder Geschichte ist. Es widerspricht bewusst der Großmann-Linie, wenn Terium „diese Technologie nicht mehr zumutbar“ nennt – aber es entspricht dem Zeitgeist.

Der Kurswechsel hat wesentlich mit der Energiewende auf dem Heimatmarkt Deutschland zu tun, gilt aber weltweit, versicherte Terium gegenüber der WR und bekräftigte dies am vergangenen Wochenende noch einmal gegenüber 200 Führungskräften im eigenen Haus. Noch vor wenigen Monaten hatte RWE eine Beteiligung am einzigen niederländischen Atommeiler erwirkt, dem Kraftwerk Borssele in Zeeland. Auch den Plan, sich an einem Neubau an diesem Standort zu beteiligen, hat Terium verworfen: „Wir werden generell nicht mehr in neue AKW investieren.“

Von „Horizon“, dem gemeinschaftlichen AKW-Neubauprojekt mit Eon in Großbritannien, hatte sich RWE bereits im März dieses Jahres verabschiedet. Im Unterschied zum Essener Konzern verfolgt Eon aber weiter Pläne für AKW-Neubauten, unter anderem in Finnland.

RWE will als Partner mit Stadtwerken aus der Region Solarparks bauen

Auch sonst geht der neue RWE-Chef auf Distanz zu den Düsseldorfer Mitbewerbern. RWE will nicht auf die Prüfung von Schadensersatzansprüchen wegen des Atomausstieges verzichten. Aber Terium ist dabei eher abwartend als offensiv. Die vom Eon-Chef Teyssen aufgemachte Rechnung, bei der der Steuerzahler mit Milliarden zur Kasse gebeten werden soll, „kann ich nicht nachvollziehen“, erklärte Terium.

Eine überraschende Annäherung gibt es bei RWE dagegen in Sachen Photovoltaik in Deutschland. In der Vergangenheit gab es im Essener Haus dafür nur ätzende Kritik am Subventionswahnsinn. Nun will RWE als Partner mit Stadtwerken aus dieser Region auch Solarparks bauen. Es gebe bereits konkrete Projekte, über die man mit kommunalen Partnern in Gesprächen sei. „Wir bewerten alle Bereiche jedes Jahr neu“, erklärt Terium den Sinneswandel, den er auf die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zurückführt. Die Preise für PV-Module sind durch Importe aus Asien in den letzten Monaten rasant gebröckelt. Was deutsche Hersteller auf dem Solarmarkt zu schaffen macht, will RWE künftig nutzen. Bislang verfolgte der Konzern nur Projekte in Südeuropa (etwa Andasol) oder Nordafrika (Desertec), beides Solarthermie-Kraftwerke

In Biomassekraftwerke sowie Windenergie zu Lande und zu Wasser werden unter Terium weiter Milliarden Investitionen fließen. Dagegen werde absehbar nicht mehr in neue Kohle- oder Gaskraftwerke investiert. Das lohnt sich zur Zeit nicht, kann sich aber wieder ändern.

Allerdings werden laufende Investitionen zur Modernisierung der Braunkohlekraftwerke (BOA) weiter fortgeführt. 20 Prozent der installierten Kraftwerksleistung bei RWE stammt aus Braunkohlekraftwerken. Am Ende gilt für den Konzern mit noch rund 70 000 Beschäftigten, dass „die Kasse stimmen muss“ (Terium).