Essen. Der Essener Energiekonzern RWE hat ein düsteres Jahr 2011 hinter sich. Der Gewinn brach deutlich ein, unter anderem wegen des beschleunigten Atomausstiegs. Doch der künftige Chef Peter Terium sieht Anzeichen dafür, dass die Talsohle bald durchschritten sein wird.

„Wenn man oben auf dem Gipfel steht, dann geht’s nach allen Seiten abwärts“, sagte RWE-Chef Jürgen Großmann bei der Vorstellung der Bilanz des Essener Energiekonzerns – allerdings sagte er das vor einem Jahr. Großmann konnte damals nicht ahnen, dass RWE vom Gipfel nicht absteigen, sondern abstürzen würde. Bis zur Talsohle. Bei der gestrigen Vorstellung der Jahresbilanz 2011 musste Großmann einen drastischen Gewinneinbruch verkünden.

Das betriebliche Ergebnis vor Zinsen und Steuern fiel um ein Viertel im Vergleich zum Vorjahr auf 5,8 Milliarden Euro. Das nachhaltige Nettoergebnis, das für die Höhe der Dividende maßgeblich ist, sackte gar um 34 Prozent auf 2,5 Milliarden Euro. Die Dividende sinkt von 3,50 Euro je Anteilsschein auf zwei Euro. Das ist eine schlechte Nachricht für die vielen Städte, die RWE-Aktien besitzen. Die Dividende, die die klammen Kommunen gerne verbuchen, wird empfindlich schrumpfen.

Man hätte erwartet, dass Großmann als Hauptursache für die miesen Zahlen den beschleunigten Ausstieg aus der Atomkraft beklagen würde. Doch die 1,3 Milliarden Euro, die RWE durch das politisch verordnete Aus für das Kernkraftwerke Biblis fehlen, erwähnte er quasi nur am Rande – nach den Problemen mit defizitären Gaslieferverträgen und den sinkenden Gewinnen bei der Stromerzeugung.

Gas bereitet Probleme

Diese Reihenfolge ist einerseits ein Indiz dafür, dass die Atomkraft für RWE strategisch Vergangenheit ist und andere Schwierigkeiten in den Vordergrund rücken. Andererseits dürfte Großmanns rhetorische Zurückhaltung auch dazu dienen, seinem Nachfolger Peter Terium einen unbelasteten Einstieg zu ermöglichen. Dies offenbarte sich auch auf anderer Ebene: Der „Energieriese“ Großmann überließ Terium einen guten Teil der Redezeit und betonte: „Auch nach 2011 ist RWE kein Sanierungsfall.“ Das klang fast so, als wolle Großmann selbst ein Fazit seiner Amtszeit ziehen.

Dem Niederländer, der im Juli an die RWE-Spitze rückt, war es auch vorbehalten, in die Zukunft zu blicken. Der 48-Jährige verbreitete Zuversicht: „Vieles spricht dafür, dass wir die Talsohle zügig durchschreiten werden und wieder Fahrt aufnehmen.“

Erste Anzeichen: Noch vor einem halben Jahr hatte RWE angekündigt, Unternehmensbestandteile im Gesamtwert von elf Milliarden zu verkaufen, um Schulden abzubauen. Doch das Unternehmen hat dieses Ziel inzwischen auf sieben Milliarden Euro gesenkt. Zur Disposition stehen in erster Linie Beteiligungen, die Geld kosten, aber keinen Ertrag in die Kasse spülen.

Darüber hinaus spielt RWE der Preisverfall bei den CO2-Zertifikaten in die Karten: Die kosten zurzeit etwa sieben Euro, so verdient RWE mit der Braunkohleverstromung prächtig. Das dürfte auch dazu beitragen, dass RWE bis Mitte des Jahres einen stabilen Strompreis verspricht.

Zusätzlich kündigte Terium Einsparungen in Höhe von rund einer Milliarde Euro an. Er deutete an, dass dies mit einem Personalabbau über die 8000 bekannten Stellen hinaus verbunden sein könnte. Aber ein Abbau würde sozialverträglich gestaltet werden.

Diese ersten Schritte aus der Talsohle hinaus spiegeln sich im Ausblick für 2012 und 2013 wider: Das nachhaltige Nettoergebnis soll stabil bleiben. Für Investoren eine freudige Überraschung, sie hatten mit weniger gerechnet. Die RWE-Aktie gewann zeitweise mehr als vier Prozent.

Doch es bleiben Baustellen. Die eine ist unfreiwilliger Natur. RWE verliert nach wie vor einen dreistelligen Millionenbetrag, weil der Konzern Gas teuer kaufen und preiswert verkaufen muss. Und die Lieferanten – darunter Gazprom – zeigen wenig Entgegenkommen bei den Vertragsverhandlungen. Das dürfte ein Grund dafür sein, dass RWE die Kooperationsgespräche mit Gazprom abgebrochen hat.

Die zweite Baustelle sind die Erneuerbaren Energien: Die Ökostromtochter RWE Innogy bleibt weitgehend von Sparmaßnahmen verschont, zwischen 2012 und 2014 werden rund vier Milliarden Euro in Erneuerbare investiert. Bis 2020 soll bei RWE der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung von 7,5 auf 20 Prozent wachsen. An dieser Stelle offenbarte sich ein neuer Tonfall des Konzerns: „Beim Thema Energiewende ist RWE Teil der Lösung“, betonte Peter Terium.