Essen. . Die Verbraucherorganisation Foodwatch kürt zum fünften Mal die dreistesten Werbelügen und geschicktesten Verbrauchertäuschungen der Lebensmittelhersteller. Nominiert sind unter anderem gestrecktes Hackfleisch von Viva Vital und ein “alkoholfreies“ Bier mit Alkohol von Clausthaler.
Überzuckerte Kinderprodukte, getürkte Rezeptverbesserungen, vermeintliche „Feinschmecker“-Artikel mit einer ganzen Sammlung von Zusatzstoffen und Aromen: „Verbraucher werden im Supermarkt systematisch getäuscht und tagtäglich mit kleinen Schwindeleien, großen Lügen und einer endlosen Reihe von Tricks verwirrt und in die Irre geführt“, urteilt Thilo Bode, Chef der Verbraucherorganisation Foodwatch. Zum fünften Mal vergibt sie deshalb den Titel „Goldener Windbeutel“. Bis zum 18. Juni können Verbraucher im Netz abstimmen.
Was will Foodwatch mit dem „Goldenen Windbeutel“ erreichen?
Die Kampagne gibt es seit Ende 2007. Auf der Seite „abgespeist.de“ stellte Foodwatch seither 37 Produkte vor, die aus Sicht der Verbraucherschützer „Fälle von Werbelügen und Etikettenschwindel“ sind. Seither sind mehr als 260 000 Verbraucherbeschwerden auf diesem Wege direkt bei den Herstellern eingegangen. 4500 Mal machten User von der Funktion Gebrauch und schlugen ein Produkt vor, von dem sie sich in die Irre geführt fühlen.
Welche fünf Produkte sind in diesem Jahr als „Goldener Windbeutel“ nominiert?
• Becel pro-activ von Unilever: Eine Margarine mit hochkonzentriert zugesetzten Pflanzensterinen, die den Cholesterinspiegel senken sollen. Trotz aller Hinweise auf Risiken und Nebenwirkungen und völlig unklarer Langzeitfolgen verkauft Unilever das Produkt frei für jedermann im Supermarkt. Und nimmt damit in Kauf, dass auch Gesunde ohne Not an ihren Blutwerten herumdoktern. Aus Sicht von Foodwatch ist ungeklärt, ob der Verzehr von Becel pro-activ tatsächlich zu weniger Herzinfarkten führt. Das habe Unilever nicht einmal untersucht. Oliver Huizinga von Foodwatch kommt deshalb zu dem bissigen Urteil: „Becel pro-activ sollte nur auf Rezept und in der Apotheke verkauft werden.“
• Teekanne Landlust Mirabelle & Birne: Dabei handelt es sich um einen Standard-Industrie-Früchtetee, der nur teurer verkauft wird. Ohne Aromen würde der Tee auch nicht nach Mirabelle schmecken: Denn die haben es nur als Abbildung auf die Packung, nicht aber in den Teebeutel geschafft.
• Viva Vital Hackfleisch-Zubereitung mit pflanzlichem Eiweiß von Netto Marken-Discount: 30 % Fleisch werden ersetzt durch billiges, mithilfe von Weizen schnittfest gemachtes Wasser. Die laut Werbehinweis „30 % weniger Fett“ sind damit keine Besonderheit, sondern logische Folge des Streckens – und rechtfertigen keineswegs den Preisaufschlag von mehr als 30 % gegenüber reinem Hack. Zudem ist der Hinweis irreführend: Im Vergleich mit frischem Hack von Bedientheken, wo in der Regel magereres Fleisch verwendet wird, hat das gestreckte Produkt sogar meist mehr Fett und nicht weniger.
• Clausthaler Classic von Radeberger, das „alkoholfreie“ Bier enthält 0,45 Prozent Alkohol, weshalb das Gebräu in anderen Ländern auch korrekt als alkoholarmes Bier gekennzeichnet ist. Nur dort, wo kein Gesetz die Schummelei mit der „alkoholfrei“-Etikettierung verbietet, führt Radeberger seine Kunden aufs Glatteis.
• Hipp Instant-Tees Früchte, Waldfrüchte und Apfel Melisse, die Zuckertees für Kleinkinder, werden von Hipp ab dem 12. Lebensmonat empfohlen. Doch die Instant-Zucker-Tees bringen es auf umgerechnet zweieinhalb Stück Würfelzucker pro 200-Milliliter-Tasse. Das ist nicht nur überflüssig, weil es Tee auch ungesüßt gibt – es widerspricht auch allen Empfehlungen für die Ernährung von Kleinkindern.Oliver Huizinga von Foodwatch: „Um Profit zu machen, dient Hipp Eltern Zuckertee als empfehlenswertes Kindergetränk an. Verantwortliches Marketing sieht anders aus.“
Wie kann es zu diesen Verbraucher-Täuschungen kommen?
„Weil es legal ist“, gibt Foodwatch eine einfache Antwort. Gesetzgeber und Gerichte schritten erst ein, wenn sich die Verbraucher massiv zur Wehr setzten. Auf „abgespeist.de“ listet die Organisation die Tricks auf und ruft Verbraucher dazu auf, sich dagegen zu wehren.
Welche Produkte haben den „Goldenen Windbeutel“ bereits gewonnen?
2009: Actimel von Danone
2010: Monte Drink von Zott
2011: Milch-Schnitte von Ferrero
Wie können sich Verbraucher an der Abstimmung für 2012 beteiligen?
Die Wahl zum „Goldenen Windbeutel“ ist auf der Seite www.abgespeist.de möglich.