Essen. Das Kuratorium der RAG-Stiftung hat am Montag trotz Börsenturbulenzen grünes Licht für den Aktienverkauf des Essener Evonik-Konzerns gegeben. Die Chancen seien größer als die Risiken, sagte Stiftungschef Wilhelm Bonse-Geuking im Interview. Derzeit ist intern der erste Handelstag für den 25. Juni geplant. Es könne aber Verzögerungen geben.
Der Chef der RAG-Stiftung, Wilhelm Bonse-Geuking, über den Börsengang der Evonik, alternative Anlagen und einen grünen Umbau des Unternehmens.
Warum sollte ein Anleger ausgerechnet eine Evonik-Aktie kaufen?
Wilhelm Bonse-Geuking: Wer Geld hat und es anlegen möchte, kann es in eine Bundesanleihe mit 1,5 Prozent Zinsen stecken oder eben in ein gut laufendes Unternehmen investieren, das eine ansehnliche Dividende ausschüttet.
Ansehnlich?
Wilhelm Bonse-Geuking: Nun, das Management von Evonik hat in den letzten Jahren um die 400 Millionen Euro Gewinn im Jahr als Dividende ausgeschüttet. Wir können bei guter Entwicklung noch mit Steigerungen rechnen.
Evonik wird ein Dax-Aspirant sein. Was hieße das für die Region, das Image des Ruhrgebiets?
Wilhelm Bonse-Geuking: Das ist schon etwas, wenn man zu den 30 größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland gehört. Mittelfristig könnte Evonik sicherlich in den Dax aufsteigen, und das wäre auch ein gutes Zeichen für das Ruhrgebiet.
Evonik ist ein stark durch die Mitbestimmung geprägtes Unternehmen. Könnte sich das nach dem Börsengang ändern?
Wilhelm Bonse-Geuking: Ich habe überhaupt keine Veranlassung, das anzunehmen. Bisher sind alle, auch große, wirklich nicht schmerzfreie Veränderungen bei Evonik reibungslos und in guter Zusammenarbeit mit der Belegschaft und Gewerkschaft abgelaufen. Es wird nicht ideologisch miteinander umgegangen, sondern pragmatisch. Und deshalb gehört der Erfolg auch zu einem guten Teil der Mitbestimmung.
Die RAG-Stiftung als Mehrheitsgesellschafterin ist stark politisiert, was man zuletzt an der Diskussion um Ihre Nachfolge gesehen hat. Solche Debatten könnten künftig den Kurs bewegen und ökonomischen Schaden anrichten.
Wilhelm Bonse-Geuking: So lange jedermann klar ist, dass die Stiftung ihr Mandat im Interesse des Unternehmens Evonik und seiner Belegschaft wahrnimmt, sehe ich da überhaupt keine Schwierigkeiten.
Wie groß ist das Risiko, dass der Börsengang in den kommenden vier Wochen abgeblasen wird?
Wilhelm Bonse-Geuking: Das kann ich nicht beziffern. Natürlich bleiben die Euro-Krise und Veränderungen der politischen Rahmenbedingungen als Risiken bestehen. Die Chancen sind für den Börsengang aber größer als die Risiken, denn die Fundamentaldaten der Volkswirtschaften und die Zahlen der Evonik stimmen. Gleichwohl: Es bleibt spannend bis zum ersten Handelstag.
Wo liegt die Untergrenze für den erwarteten Erlös?
Wilhelm Bonse-Geuking: Über Zahlen diskutieren wir nicht in der Öffentlichkeit.
Ihre interne Grenze liegt bei 15 Milliarden Euro fürs Unternehmen?
Wilhelm Bonse-Geuking: Ich nenne keine Zahlen.
Sie müssen sicherstellen, dass die Ewigkeitskosten des Bergbaus mit den Erlösen zu bezahlen sind. Bleiben alle Einnahmen in der Stiftung oder sind Beteiligungen an Unternehmen denkbar?
Wilhelm Bonse-Geuking: Die Satzung gibt der Stiftung recht große Freiheit, wo sie unter den Bedingungen der Nachhaltigkeit, Sicherheit und Werterhalt ihr Geld anlegen darf. Dass wir uns nach einem Börsengang an den Evonik-Immobilien beteiligen wollen, ist bekannt. Weniger bekannt ist hingegen, dass wir schon vor drei Jahren unser Interesse an einer Beteiligung am Duisburger Hafen geäußert haben, da der Bund seinen Anteil verkaufen möchte. Wenn die Eigentümer darüber mit uns sprechen wollen, jederzeit.
Die niedrigen Zinsen haben dazu geführt, dass Sie nun 2019 einen höheren Kapitalstock, 10,8 statt 8,2 Milliarden Euro, benötigen. Man kann sich lukrativere Anlagen statt Festgeld vorstellen.
Wilhelm Bonse-Geuking: Deshalb schauen wir auch nach anderen, ertragreicheren, aber sicheren Anlagemöglichkeiten mit nachhaltigen Perspektiven.
Etwa beim Umbau des Kohleförderers RAG in ein Unternehmen mit Erneuerbaren Energien?
Wilhelm Bonse-Geuking: Genau. Vorausgesetzt, die Machbarkeitsstudien sind positiv, wollen wir den Umbau zur Grünen RAG dabei mit eigenen Investitionen unterstützen, ob das bei der Solarenergie ist oder den Überlegungen zur Entwicklung von Pumpspeicherkraftwerken; für alles gilt: Auch diese Investitionen müssen sich den eben genannten Bedingungen entsprechend rechnen.