Essen/Dortmund. . Zum Tag der Arbeit hat der Deutsche Gewerkschaftsbund die strikte Sparpolitik in den Euro-Staaten und den neuen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin angeprangert. Auf der zentralen Kundgebung zum 1. Mai forderte DGB-Chef Michael Sommer vor tausenden Demonstranten einen “Marshall-Plan“ mit Investitionen in Milliardenhöhe.

Mit Trommeln und Trillerpfeifen haben am Dienstag die Teilnehmer einer Maikundgebung in Dortmund für gerechte Löhne demonstriert. Zum Start der zentralen Veranstaltung zum Tag der Arbeit in NRW kamen mehrere Hundert Menschen zusammen. Der Demonstrationszug führt von der Innenstadt zum Westfalenpark. Die Gewerkschaften wollen damit auch ein Zeichen gegen Rechtsextremismus setzen. 2009 war die DGB-Kundgebung in der Stadt von Neonazis angegriffen worden.

Zur diesjährigen Kundgebung wird neben DGB-Landeschef Andreas Meyer-Lauber auch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) als Rednerin erwartet.

Zum Tag der Arbeit hatte der DGB in diesem Jahr bundesweit zu zahlreichen Demonstrationen aufgerufen. Allein in Nordrhein-Westfalen sind nach Gewerkschaftsangaben 77 Veranstaltungen geplant.

DGB-Chef bekräftigt Forderung nach Mindestlohn von 8,50 Euro

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat zum diesjährigen Tag der Arbeit dazu aufgerufen, nicht die Allgemeinheit für die Wirtschafts- und Finanzkrise in Europa bezahlen zu lassen. "Es sind doch nicht die Menschen, die über ihre Verhältnisse gelebt haben", sagte DGB-Chef Michael Sommer bei der zentralen DGB-Kundgebung zum 1. Mai am Dienstag in Stuttgart laut Redetext. Es seien "die gierigen Eliten, die die Staaten ausgeplündert haben und es weiter tun und tun wollen".

Schuld an der Krise sei aber auch eine falsche Politik, sagte Sommer. Wer keine Steuern erhebe, Korruption zulasse, "die Finanzmärkte entfesselt und den Raubtier-Kapitalismus von der Kette lässt, der ist Schuld an der Misere in vielen Ländern Europas". Statt Europa kaputt zu sparen, müsse es Investitionen in die Zukunft des Kontinents geben, forderte der DGB-Chef. "Die Alternative zum Niedergang ganzer Volkswirtschaften in Europa sind nicht Sparprogramme, sondern Konjunkturprogramme. Ein milliardenschwerer Marschall-Plan."

Sommer bekräftigte zudem die Forderung nach einem allgemeinen Mindestlohn: "8,50 Euro die Stunde - das ist Beton. Darunter geht gar nichts." Es müsse außerdem alles getan werden, "die Tarifautonomie zu sichern, die Tarifbindung auszubauen und die Allgemeinverbindlichkeit von Branchentarifverträgen zu stärken." Die bundesweiten Maikundgebungen des DGB stehen in diesem Jahr unter dem Motto: "Gute Arbeit für Europa, gerechte Löhne und soziale Sicherheit." (dapd/afp)

Tag der Arbeit - Gewerkschaften müssen um Mitglieder kämpfen 

Die Reden sind geschrieben, die Plakate gedruckt. „Gerechte Löhne – soziale Sicherheit“ steht diesmal drauf. Die Botschaften zum Tag der Arbeit waren schon mal origineller. „Fünf Tage sind genug“, forderte der DGB am 1. Mai 1955, 1956 durfte ein blonder Junge Vollzug melden: „Samstags gehört Vati mir“. Ein gutes halbes Jahrhundert später haben die Gewerkschaften ganz andere Sorgen. Aber nicht jede hat auch neue Antworten.

DGB-Chef Michael Sommer wird zum Tag der Arbeit über Europa reden, über Mindestlöhne und Altersarmut. Für ihre Mitglieder haben die Gewerkschaften in der Vergangenheit viel erreicht. Ihr Problem: Sie haben immer

weniger Mitglieder, für die sie etwas tun können. 1991 waren fast zwölf Millionen Menschen in den DGB-Gewerkschaften. Anno 2012 sind es noch etwa halb so viele.

Gewerkschaften müssen heute anders kämpfen

Gewerkschaften müssen heute um mehr kämpfen als um höhere Löhne. Und sie müssen anders kämpfen. Manche kämpfen gegeneinander, andere umwerben Menschen, die bisher nicht zur Klientel gehörten: Leiharbeiter, Minijobber und die wachsende Zahl derer, die nicht mehr nach Tarif bezahlt werden.

Der Job auf Lebenszeit, verbunden mit der Mitgliedschaft in der Gewerkschaft und jährlichen Lohnerhöhungen, ist ein Relikt aus dem vergangenen Jahrhundert. In Westdeutschland werden nur noch sechs von zehn Beschäftigten nach Tarif bezahlt, in Ostdeutschland nur jeder zweite.

Die IG Metall, Deutschlands größte Einzelgewerkschaft, hat eine neue, erfolgreiche Strategie. Seit einigen Jahren verpackt sie politische Grundsatzfragen in Kampagnen und trägt sie in die Tarifverhandlungen. In der Stahlindustrie setzte sie durch, dass Auszubildende unbefristet übernommen werden müssen. Das brachte reichlich Mitgliedernachwuchs. Aktuell verhandelt sie erstmals mit den Arbeitgebern der Zeitarbeitsbranche über einen Zuschlag für Metall-Leiharbeiter – und muss bereits fleißig neue Ausweise drucken.

DGB-interne Kämpfe

Man sei nicht dazu da, die Aufgaben der Politik zu erledigen, sagte IG-Metall-Chef Berthold Huber unlängst. Doch Deutschlands mächtigste Gewerkschaft tut genau das, nicht ohne Eigennutz. Der Mitgliederschwund ist gestoppt – 2011 hat die IG Metall erstmals wieder mehr Mitglieder gewonnen als verloren.

DGB-Plakat zum ersten Mai 1963.
DGB-Plakat zum ersten Mai 1963.

Doch der Kampf um Mitglieder rüttelt auch an ehernen Grundsätzen des DGB. Unter seinem Dach leben die Einzelgewerkschaften nicht mehr so friedlich nebeneinander, wie es der DGB gern hätte. Das Gerangel um Mitglieder wird auch untereinander ausgetragen. Zwischen IGBCE und Verdi im Energiesektor, zwischen IG Metall und Verdi bei den Industrie-Dienstleistern.

Verdi ist nicht zufällig an den meisten dieser Kämpfe beteiligt. Sie hat mit Abstand die meisten Mitglieder verloren, eine von drei Millionen seit ihrer Gründung 2001.

Die Dienstleistungsgewerkschaft hat es schwerer als andere, sie vertritt nicht weniger als 1000 Berufe, von der Friseurin bis zum Banker. Bis auf den öffentlichen Dienst kann sie von den Organisationsgraden der IG Metall und IGBCE in deren überschaubaren Branchen nur träumen. Auch ist sie wie keine andere DGB-Gewerkschaft den Angriffen kleiner Spartengewerkschaften ausgesetzt. Der Marburger Bund machte ihr die Klinikärzte abspenstig, Cockpit die Piloten, Ufo die Flugbegleiter.

Sportliche Einigung

Verdi wehrt sich. Am erfolgreichsten in der Energiebranche. Bei den Energieriesen Eon und RWE hat Verdi längst die Oberhand gewonnen. Derweil erwartet die IGBCE mit Schrecken das Ende des deutschen Steinkohlebergbaus. Das wird Mitglieder und Beiträge kosten. Deshalb liefern sich IGBCE und IG Metall auch einen Wettlauf um die Erneuerbaren Energien. Hier gibt es Überschneidungen, etwa in der Solarenergie. Man hat sich sportlich geeinigt: Für neue oder unorganisierte Betriebe ist zuständig, wer als erster einen Fuß in die Tür kriegt.

Offiziell erklären IG Metall, IGBCE und Verdi, sie kämpften gemeinsam für die Interessen der Arbeitnehmer. Doch in Hintergrundgesprächen fällt schnell die Fassade. Die Industriegewerkschaften betonen ihre größere Schlagkraft, bei Verdi ätzt man gegen Allmachtsfantasien. Als sich die IG Metall unlängst für die gesamte Produktionskette zuständig erklärte, also auch für Industrie-Dienstleister, wurde der Streit öffentlich. Für IG Metall und Verdi schlummert hier ein riesiges Potenzial: Nach jahrzehntelangen Ausgliederungen gibt es im Heer nicht tarifgebundener Zulieferer reichlich zu rekrutieren.

Beste Mitgliederwerbung aber bleiben hohe Abschlüsse. Die IG Metall hat deshalb gleich nach Ende der Friedenspflicht in der Metall- und Elektrobranche die Muskeln spielen lassen. 2500 Beschäftigte beteiligten sich gestern an Warnstreiks und Aktionen. Nach dem Tag der Arbeit sollen die Streiks massiv ausgeweitet werden. Nicht jedes Ritual ist überkommen. Schon gar nicht, wenn es wirkt.

DGB ruft zu 77 Maikundgebungen in NRW auf 

Zum Tag der Arbeit ruft der Deutsche Gewerkschaftsbund in diesem Jahr bundesweit wieder zu zahlreichen Kundgebungen auf. Allein in Nordrhein-Westfalen sind nach Gewerkschaftsangaben 77 Veranstaltungen geplant. Die zentrale Kundgebung im Land soll in Dortmund stattfinden. Damit wollen die Gewerkschafter ein Zeichen gegen Rechtsextremismus setzen. 2009 war die DGB-Kundgebung in der Stadt von Neonazis angegriffen worden.

Auf der Dortmunder Kundgebung wird neben DGB-Landeschef Andreas Meyer-Lauber Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) als Rednerin erwartet.

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  • Dortmund - 11 Uhr DGB-Veranstaltung zum 1. Mai - mit der Spitzenkandidatin der SPD NRW Kraft und dem Vorsitzenden des DGB NRW Meyer-Lauber (Platz der Alten Synagoge ); 12.15 Uhr Zentrale NRW-Kundgebung / Westfalenpark, An der Buschmühle 3, Dortmund
  • Solingen -11 Uhr DGB-Veranstaltung zum 1. Mai - mit der Spitzenkandidatin der Grünen NRW Löhrmann u.a. (Neumarkt)
  • Bergkamen - 11.15 Uhr Veranstaltung zum 1. Mai mit einer Rede von Arbeitsminister NRW Schneider (An der Römerbergsporthalle, Jahnstraße 30)
  • Düsseldorf - 11 Uhr Kundgebung zum 1. Mai unter dem Motto "Gute Arbeit für Europa - Gerechte Löhne - Soziale Sicherheit" - mit dem Bundesvorsitzenden Bergbau, Chemie, Energie Michael Vassiliadis (Hofgarten, Jägerhofstraße/ Jacobistraße), 9.30 Uhr Treffen am Gewerkschaftshaus, Friedrich-Ebert-Straße 34-38, 10 Uhr Demonstrationszug zum Hofgarten
  • Remscheid 11 Uhr DGB-Veranstaltung zum 1. Mai - mit dem Vorsitzenden der Fraktion Die Linke im Bundestag Gysi u.a. (Theodor-Heuss-Platz)
  • Aachen - 11 Uhr DGB-Veranstaltung zum 1. Mai - mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments Martin Schulz u.a. (Rathaus Markt)
  • Duisburg - 17.30 Uhr Rede von Arbeitsminister NRW Schneider bei DGB-Kundgebung sowie Podiumsdiskussion zum Thema „Gerechte Löhne - Soziale Sicherheit“ (Alle Termine ohne Gewähr)

Mit Material von dapd