Recklinghausen. .
NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze hält als Gast des Deutschen Gewerkschaftbundes am Dienstag, 1. Mai, auf dem Festspielhügel in Recklinghausen die traditionelle Mai-Rede. Eröffnen wird die Ruhrfestspiele danach Norbert Maus, Betriebsratsvorsitzender des Bergwerks Auguste Victoria in Marl (Interview auf dieser Seite). Kohle und Kunst, das soll auch drei Jahre vor dem Aus des Bergbaus im Kreis Recklinghausen weiter zusammen gehen.
Die Forderungen der Gewerkschaften, der DGB repräsentiert mit seinen acht Mitgliedergewerkschaften in der Emscher-Lippe-Region 135 000 Mitglieder, nach gerechten Löhnen und sozialer Sicherheit, die vor allem in der beinahe abgeschlossenen Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienstag und im Metall-Tarifstreit die zentrale Rolle spielen, steht unter dem Gesamtmotto „Gute Arbeit für Europa“. Unbändiges Sparen als Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise gefährde letztlich Wachstum, Beschäftigung und den sozialen Zusammenhalt auf dem gesamten Kontinent. Josef Hülsdünker, Bezirksvorsitzender des DGB, befürchtet: „In Deutschland schläft die Krise noch. Auch wir werden sie in nächster Zeit zu spüren bekommen.“
Daraus zu schließen, die Arbeitnehmer müssten sich mit ihren Forderungen in den Tarifauseinandersetzungen besonders zurückhalten, sei indes der falsche Weg, Verdi-Bezirksvorsitzende Heike Schakulat sagt, „das hat sich verbraucht“. Es gehe darum, die Binnennachfrage zu stärken. Zumal: „Es gibt längst ein tiefes Gefühl der Ungerechtigkeit“, so Josef Hülsdünker. Arbeitnehmer, Rentner, Auszubildende hätten auszubaden, was an anderer Stelle falsch gemacht worden sei. Es gelte, sich gegen eine Umverteilungswelle zu wehren. Wie stark das Gefühl der Unzufriedenheit ausgeprägt sei, habe sich bei den Warnstreiks im öffentlichen Dienst gezeigt.
Rauer werden könnte der Ton in den Tarifverhandlungen des Metallgewerbes auf Landesebene. Vor der fünften Verhandlungsrunde sagte Rainer Matz, Bevollmächtigter der IG Metall Recklinghausen, dringend nötig sei ein Signal der Arbeitgeber zur Übernahme von Auszubildenden. Die Kernforderung der Gewerkschaft in einer Branche, in der in der Region 35 000 Beschäftigte arbeiten: gleiche Bezahlung für unbefristet Beschäftigte und Leiharbeiter sowie unbefristete Übernahme der Auszubildenden.
Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und Überstunden in den Betrieb sei diese Übernahme zwingend notwendig. Nicht zu akzeptieren sei auch länger die ungleiche Bezahlung für ein und dieselbe Arbeit. Matz: „Es gibt Firmen in unserer Branche mit einem Anteil von 15 bis 20 Prozent Leiharbeit.“ In einem Unternehmen stünden sogar 300 der 400 Kräfte im Dienst von Zeitarbeitsfirmen, in einem Logistikbetrieb in Recklinghausen würden für ein und dieselbe Tätigkeit drei unterschiedliche Löhne gelten. Die schlechte Bezahlung von Leiharbeitern, so Josef Hülsdünker, sei nicht nur aktuell ein Problem, sondern auch eines der Alterssicherung. „Wir müssen mit flächendeckender Altersarmut rechnen.“ Dies werde zu Lasten der klammen Kommunen gehen, die ein Großteil der sozialen Kosten zu stemmen hätten. Ein fataler Kreislauf.
„Ohne uns Bergleute gäbe es diese Festspiele nicht“
Offiziell eröffnet werden die 66. Ruhrfestspiele am Dienstagmittag von Norbert Maus. Der 51-jährige Recklinghäuser ist Betriebsratsvorsitzender auf dem Bergwerk Auguste Victoria in Marl. Mit ihm hat WAZ-Redakteur Andreas
Rorowski gesprochen.
Herr Maus, sind sie stolz darauf, die Ruhrfestspiele eröffnen zu dürfen?
Norber Maus: Es ist für mich weiterhin eine Ehre. Es ist ja gute Tradition, dass ein Bergmann die Ruhrfestspiele eröffnet. Ich glaube ich mache das jetzt zum siebten Mal.
Was werden Sie sagen?
Mir ist es wichtig, alle Menschen, die die Ruhrfestspiele besuchen, immer wieder daran zu erinnern, ohne uns Bergleute gäbe es diese Festspiele nicht.
Werden Sie sich selbst etwas anschauen?
Ja, ich bin kein Kulturbanause. Ich denke immer, dass Kultur und unsere Arbeit, die wir jeden Tag mit den Händen leisten, kein Gegensatz sind. Ich bin ein Kind aus Recklinghausen und mit den Ruhrfestspielen groß geworden.
Wie politisch ist dieser 1. Mai noch im Bewusstsein der Leute?
Ich sehe den Trend, dass der Tag der Arbeit in vielen Köpfen wieder stärker vorhanden ist. Vor der Eröffnung in Recklinghausen halte ich die Mai-Rede in Marl. Und da fragt man sich natürlich, was sagst du den Menschen. Ich werde darauf hinweisen, dass es uns wichtig ist, dass wir bezahlbare Energie haben. Im Moment habe ich den Eindruck, dass unsere Politiker das Thema Energiewende mehr verwalten als gestalten. Das macht mir große Sorgen.
Die Stimmung auf AV?
Hier jubelt keiner, dass wir aussteigen müssen. Das letzte Bergwerk im Kreis schließt Ende 2015. Der Ausstieg aus der heimischen Kohle ist politisch gewollt. Und ich halte ihn weiterhin für falsch Aber ich bin stolz auf unsere Kolleginnen und Kollegen, den Begriff Bergmannsehre spüre ich immer mehr. Bei uns gibt es keine Endzeitstimmung. Wir Bergleute sind davon überzeugt, dass wir auch den Auftrag haben, für Energiesicherheit zu sorgen. Hier in Marl noch bis Ende 2015.
Am Dienstag,wird es da feierlich oder kämpferisch?
Grundsätzlich ist der 1. Mai aus meiner Sicht immer kämpferisch. Aber das Feiern dürfen wir auch nicht vergessen; mit den richtigen Anmerkungen.